Samstag, 4. März 2017

"Schweizer? Mit Ihnen rede ich nicht." Zu Besuch im 6.-kleinsten Land der Welt

"Sind Dir unsere Männer nicht mehr gut genug?"
Meine neue Freundin zuckte zusammen.
"Was.....?"
"Musste es denn unbedingt ein Schweizer sein?", wurde sie weiter angeschnauzt.
Das hatte sie nicht erwartet. Und ich war geschockt, als sie mir davon erzählte. Aber es sollte nicht das einzige merkwürdige Erlebnis bleiben, dass ich im Fürstentum machen sollte. 
Die Frau hatte ich kennengelernt, als ich in Liechtenstein eine Stelle als Journalist angenommen hatte. Mein Wissen über das Kleinland war, ich gestehe, sehr tief. Ich nahm für das Bewerbungsgespräch sogar meinen Pass mit. Den ich natürlich nicht brauchte. Ich fuhr über eine Brücke, wo mir ein Tuba-ähnliches Schild ankündigte, wo ich gelandet war. 
Ich dachte, klein und fein. Leider gilt nur Ersteres. Wobei klein immer noch arg untertrieben ist. Mit seinen 37'000 Einwohnern wäre Liechtenstein gerade mal die 15.-grösste Schweizer und nur noch 305.-grösste deutsche Stadt. Selbst im Zürcher Nobelviertel Zürichberg leben mehr Menschen. Flächenmässig ist sogar der berühmte Schweizer Aletschgletscher fast grösser und auf Mallorca hätte Liechtenstein sagenhafte 22 mal Platz. 

"Schloss Vaduz, guten Tag"

Ein Strassenschild wie eine Tuba. 
Liechtenstein basiert auf einer demokratisch-parlamentarischen Grundlage und hat eine fünfköpfige, vom Volk gewählte Regierung. Das ist das geduldige Papier. In Realität ist das Land eine Monarchie und der Fürst kann (und darf) in alle politischen Entscheide einwirken. Also beschloss ich, mit dem Fürsten ein Interview zu machen. Ich rief im Schloss an.
Ich stellte mich und mein Anliegen vor.
„Sie können doch nicht einfach hier im Schloss anrufen“, beschied mir eine quengelnde Frauenstimme. „Wenn Sie was vom Fürsten wollen, wenden Sie sich an das fürstliche Presseamt.“
Netterweise gab mir die Frauenstimme die Telefonnummer.
„Fürstliches Presseamt, guten Tag.“
„Ich möchte mit dem Fürsten ein Interview machen. Können Sie mir helfen?“
„Bleiben Sie in der Leitung, ich verbinde Sie.“
„Schloss Vaduz, guten Tag.“
Die gleiche quengelnde Frauenstimme von vorhin war in der Leitung. Ich war verblüfft.
„Aber jetzt haben Sie den Dienstweg eingehalten“, beschied mir Frau Quengel, nur um mir dann zu sagen: „Nein, der Fürst steht für ein Interview nicht zur Verfügung.“
Ein anderes Mal nahm ich in der Redaktion einen Anruf entgegen. Eine erboste Stimme rief. „Hören Sie, das ist ein Skandal. Schweizer Kampfflugzeuge sind soeben übers Land geflogen. Sie müssen was unternehmen….“ Dann brach die Stimme ab.
„Hallo, sind Sie noch da?“, fragte ich zaghaft. 
„Natürlich bin ich noch da“, sagte der Anrufer, „aber Sie sind doch ein Schweizer?“
In einem Comic wären jetzt über meinem Kopf das Fragezeichen erschienen, der Totenkopf und ein in die Luft hüpfender Donald Duck.
„Was hat das damit zu tun?“
„Ich möchte sofort mit einem Liechtensteiner sprechen. Das geht ja gar nicht, dass ich über diese Angelegenheit mit einem Schweizer rede.“
Als ob ich Nordkoreaner oder Ausserirdischer wäre. Ich versuchte zu erklären, dass ich hier als Journalist und nicht als Schweizer angestellt sei. Nützte alles nichts. So wurde nichts aus diesem RIESENSKANDAL von der bösen Schweizer Armee, die einfach in den armen, armen Liechtensteiner Luftraum eingedrungen war.

Regelmässig fuhr ich mit meiner Liechtensteiner Freundin über die Grenze nach Österreich. Da gab es Städte wie Bregenz, Hohenems oder Lustenau ergo Kneipen, Bars, Discos, Konzerte. Passierten wir mit ihrem Wagen (und dem Kennzeichen FL) die Grenze, ging es stets problemlos. Nahmen wir aber mein Auto (mit dem Kennzeichen CH) wurden wir meist angehalten und um die Pässe gebeten.Eine eigene Armee hat Liechtenstein seit 1868 nicht mehr (schlau). Das Heer wurde aus Kostengründen aufgelöst. In einem Kriegsfall würde wahrscheinlich die Schweiz dem kleinen Nachbarn zur Seite stehen.
Die Liechtensteiner sind fürchterlich stolz auf ihr Land. Obwohl sie keine eigene Währung haben (Schweizer Franken), keine Autobahn, keinen Flughafen, keinen Bahnhof (bloss einen stillgelegten in Schaan).

Where is Liktastone?

Woher dieser Stolz bloss kommt, habe ich mich oft gefragt, denn nur schon einige Kilometer weiter, wissen viele Leute schon gar nicht, was Liechtenstein überhaupt ist. Als ich mit meiner damaligen Freundin Wien besuchte, fragte uns ein Einheimischer, woher wir kämen.
„Schweiz“, sagte ich, worauf er anerkennend grinste.
„Liechtenstein“ sie. Worauf er ahnungslos staunte. Er dachte wohl, die Frau sei aus dem Palais Liechtenstein ausgebüxt, eine berühmte Sehenswürdigkeit in Wien.
Ein LKW-Fahrer wurde wegen seines Kennzeichens FL für einen Finnen gehalten und einer der Fürstenfamilie wurde wegen seines Namens in einem karibischen Staat festgehalten. Der Mann hiess gleich wie das Land und das konnte der karibische Grenzbeamte nicht verstehen. Also bat der Zöllner um Aufklärung und holte eine Globuskugel. Der Liechtensteiner sollte zeigen, wo sein Land liegt.
„Hier“, tippte er auf den winzig kleinen Raum zwischen Österreich und der Schweiz.“
„I see Swisaland“, sagte der Grenzbeamte „and Ostria. But where ist Liktastone?“

Bin ich froh, hat sich die Schweizer Fussballnationalmannschaft wenigstens gegen Liechtenstein noch nie blamiert. Bisher haben die Teams acht Mal gegeneinander gespielt; acht Mal hat die Schweiz bei einem Torverhältnis von 20:1 gewonnen. Schweizer Niederlagen selbst gegen Luxemburg oder Montenegro sind zwar schlimm und blamabel (und leider schon vorgekommen), aber verkraftbar. Eine Pleite aber gegen Liechtenstein wäre unverzeihlich.

Meine Liaison zur Liechtensteinerin ist übrigens längst vorbei. Aber die denkwürdigen Erinnerungen sind mir geblieben. Where is Liktastone?


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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

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