Dienstag, 30. Januar 2018

Ein Film voller Unsympathen - und keiner ist unsympatisch

Der Inhalt und die Figuren sind genauso sperrig wie der Titel "Three Billboards outside Ebbing, Missouri." Wer guckt den sowas? Ich. Und zwar mit Hochgenuss. 

Mildred Hayes leidet fürchterlich, seit ihre Tochter ermordet worden ist. Die Polizei findet den Täter nicht - also greift die Mutter zu eigenen Mitteln. Aber nicht zur Hollywood-üblichen Selbstjustiz. Diese Frau greift nicht zur Knarre. Sondern fährt in die nächste Werbeagentur und bucht drei Plakatwände, wo sie ihre Anklage an den örtlichen Polizeichef formuliert. Daher der Filmtitel. Von nun kommen die Dinge ins Rollen. Und wie. 
Regisseur Martin McDonagh (Brügge sehen und sterben) schafft das - eigentlich - einmalige Kunststück, ein Ensemble an Unsympathen auftreten zu lassen, aber keiner ist wirklich unsympatisch. Das ist alleine von der Regie her eine aussergewöhnliche Leistung. Was aber die Akteure hier hinlegen, sucht in diesem Genre seinesgleichen. Frances McDormand (Oscarprämiert in "Fargo") ist die geplagte Mutter, Woody Harrelson der überforderte Polizeichef. Mit Sam Rockwell als Dumpfbacken-Cop Dixon spielt ein weiterer, oft unterschätzter Schauspieler ganz gross auf. 
Nichts ist geschönt, jeder ist irgendwie gestört, und hat dennoch seine andere Seite. Nichts ist blosses schwarz oder weiss, sondern der Film klimpert gekonnt die Grautöne hoch und runter. So wird aus "Three Billboards..." schon jetzt einer der gewaltigsten Filme des Kinojahres 2018. Für die Oscars geht er mit 7 Nominierungen an den Start. 

Gregor Gysi auf dem Thron - Zürich machts möglich

Der Mann hat nicht nur den Schalk im Nacken, sondern die Erfahrung von Hunderten Interviews 
und Dutzenden Talkshows. Und das nutzte er bei seinem Auftritt in Zürich weidlich. Musste er auch. Denn faktisch sass Gregor Gysi alleine auf der Bühne des renommierten Kaufleuten-Klubs. Ihm gegenüber sass mit Sandro Benini zwar ein versierter Schreiber des Tages-Anzeiger. Aber zwischen Schreiben und Talken liegen halt Welten. Und diese Grenzen wurden Benini aufgezeigt. Es reicht halt nicht, brav die Fragen ab Zettelchen abzulesen. Hinzu kam ein eklatantes Nichtwissen. "Sie haben keine Regierungserfahrung" trompete der Journalist. "Nein nein", konterte Gysi, der munter blieb, was erstaunlich genug war. 2002 sei er für kurze Zeit Bürgermeister von Berlin gewesen. Eine einfache Wikipedia-Recherche hätte da geholfen, Herr Benini. 
Aber lassen wir den schlecht vorbereiteten Talker zur Seite. Gysi zuzuhören war ein Genuss, auch wenn man nicht mit allem einverstanden sein muss. Aber darum muss es ja gar nicht gehen. Gerne und ausführlich berichtete er aus seinem reichen Leben, als Anwalt, Politiker, als Angeschossener und inzwischen als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Obwohl er weiterhin aneckt. Auch mit 70 nimmt Gysi kein Blatt vor den geschliffenen Mund nimmt und zeigt keinerlei Altersmüdigkeit. 
Gysi als Kanzler? Leider nein, aber das wäre doch mal was. 
Etwas seltsam mutete das Setting im Kaufleuten-Saal an. Da sassen die beiden Herren auf der Bühne - auf zwei mit rotem Samt überzogenen Stühlen, die an einen Thron erinnerten. Selten wurde der Linken-Politiker wohl so freundlich umgarnt wie in Zürich. Banale Fragen, ein gemütliches Ambiente - aber dank einem gut aufgelegten Gregor Gysi dennoch ein höchst amüsanter Abend. 

Ich berühre einen Tiger

Es war einmal ein Filmschönling. Der hangelte sich von seichter Filmrolle zu Filmrolle. Die Titel seiner Filme hiessen "Zum Ausziehen verführt" oder "Wie werde ich ihn los in 10 Tagen" oder "Die dicke Vera". Der Filmschönling war auf dem besten Weg, der Hansi Hinterseer von Hollywood zu werden. Dann schnappte er sich die Rolle eines AIDS-Kranken, der auf illegalem Weg Drogen in die USA holt. Ein - trotz seiner Krankheit - Unsympath, der aber nicht nur die Herzen der Zuschauer, sondern auch des Hollywood-Establisments eroberte. Denn mit dieser Rolle gewann der einstige Beau den Oscar - und sprang dem Zug der läppischen Komödien ab und landete im Fach der ernsthaften Schauspieler. Seither reiht er eine anspruchsvolle Rolle an die Andere, aus dem ehemaligen Mädchenschwarm war ein Erwachsener geworden. So auch in "Gold". Matthew McConaughey spielt den Schatzsucher Kenny Wells, der unermüdlich an Gold und ans Gute im Menschen glaubt. Beide Eigenschaften bringen ihn in unglaubliche Schwierigkeiten, machen ihn aber auch echt und lebendig. 
"Gold" ist manchmal etwas schleppend erzählt und mit einer Laufzeit von 120 Minuten zu lang geraten. Aber vom Spiel des Hauptdarstellers konnte ich fast nicht genug kriegen. Genial der Moment, wo er einem Tiger die Hand auf den Kopf legt. "I am touching a tiger" zischelt er zwischen Stolz und Angst. Die Tiger-Szene ist eine Mutprobe und legt den ganzen Charakter offen: "Mir geht es nicht ums Geld", versichert der Hasardeur. Und man glaubt ihm - spätestens beim Tiger - aufs Wort. "Mir geht es ums Gold".
Das sich gleichermassen als sein Glücks- wie Pech-Elixier entpuppt. Aber was wäre ein echter Glücksritter, der nicht immer wieder aufs Gold setzt und ans Glück glaubt? 
Matthew McConaughey in einer weiteren, fantastischen Paraderolle. 

Montag, 29. Januar 2018

Es liegen uns keine Bilder vor

Wohnungssuche im zweiten Zehntel des 21. Jahrhunderts ist nicht einfach. Zumal ich in einer Stadt suche, die zu den beliebtesten nicht nur in meinem Land gehört, sondern generell ist. Zürich. Die kleine Weltstadt im Herzen Europas, die eine riesige Lebensqualität hat, ein enormes Kulturangebot bietet und immer mehr Menschen anlockt. Also nimmt auch das Gedränge auf dem Wohnungsmarkt zu. Wohnraum ist nicht nur knapp, sondern wird auch oft genug knapp beworben. Wie ist es zum Beispiel möglich, dass einer ein Online-Inserat macht und dann hinschreibt «Leider sind keine Bilder vorhanden»? Jedes poplige Handy hat längst ein Kamerafunktion, den Übertrag vom Mobiltelefon auf eine Harddisk schaffen heute selbst 6jährige.Also entweder hat da jemand was zu verbergen. Oder ist zu doof, Bilder zu machen und Online zu stellen. Vielleicht beides. Traurig genug, dass sich sogar auf solche Angebote Leute melden. Aber eben, da sind wir wieder bei der hohen Lebensqualität, bei der Stadt mit der enormen Anziehungskraft. An solchen Orten scheinen die Gesetze des Anstandes ausgehebelt. Ich kann also nur raten; nicht melden.

Sonntag, 7. Januar 2018

"The Greatest Showman" ist Musical-Handwerk der guten, alten Hollywood-Schule. Mehr nicht.

Sie wirbeln durch die Manege, lachen, tanzen, singen - alles vorhanden, und dennoch irgendwie blutleer, ambitionslos, emotionslos. An den Akteuren liegt es nicht, vielmehr an der Inszenierung, die sich nicht traut. Als ob Regisseur Michael Gracey Angst vor der eigenen Courage hätte. Vielleicht aber ist der Oscar aller Musical-Filme LaLaLand dann doch eine Nummer zu gross, als dass eine filmische Annäherung möglich wäre. "The Greatest Showman" ist ein klassischer Musicalfilm - nicht weniger, aber leider halt auch nicht mehr. P.T. Barnum (Hugh Jackman immer mit einem Lächeln im Gesicht) weiss nicht so recht, was er will, dann entdeckt er im aufstrebenden New York des 19. Jahrhunderts die Magie der Illusion und Verführung, eröffnet ein Museum, erweitert es alsbald zum Kuriositätenkabinett - und feiert riesige Erfolge. Als Nebenstory tingelt er alsbald mit einer Sängerin durchs Land, was im Liebes- und Musical-Genre naturgemäss zu einigen amourösen Verwicklungen führt, ehe dann doch noch alles in Minne aufgeht. "The Greatest Showman" hält, was er verspricht, aber der Film überrascht nicht, ärgert manchmal sogar mit der lieblosen Figurenzeichnung oder den überzeichneten Stereotypen. Was macht der einsame Mann? Hängt in der Kneipe rum. Was macht die traurige Ehefrau? Lässt sich den Wind an den Klippen um die sorgfältige Frisur blasen. 
LaLaLand ist der FC Barcelona. The Greatest Showman holt uns wieder auf den Boden der Realität zurück und ist höchstens der FC Zürich. Auch gut, auch Fussball. Aber kein Leinwandfeuerwerk und wohl bald wieder vergessen. 

Mittwoch, 3. Januar 2018

Ich schalte mich als Mann dann mal in die MeToo-Debatte ein – nur eine halbgute Idee

Ganz gemütlich sitzt die Runde zusammen. Drei Frauen, ein Mann. Es ist der erste Tag im neuen Jahr. Kuchen, Tee und leise rieseln die Konfetti. Man plaudert über dies, freut sich über das, dann plötzlich der Schwenk zur Aktualität. Sexismus-Debatte, MeToo, was darf man noch, was erlauben Mann? Noch schmeckt die Aprikosenschnitte. 
Der Mann: «Ich bin unsicher. Ab wann wird aus einem Kompliment ein verbaler Übergriff? Wo ist die neue Grenze?» Eine der Frauen fasst es nicht. «Darum geht es doch gar nicht. Solche kleinen Befindlichkeiten sind doch lächerlich.» Die Konfetti freezen in der Luft. Lächerlich? Ich? Der Mann ist empört, die Befindliche ebenso. Die Worte fliegen, die Kuchenstückchen ebenso. Die Eskalation kann nicht mehr abgewendet werden. Noch einmal poltert das 10-Buchstaben-Wörtchen Lächerlich durch den Raum. «Ich habe über mich gesprochen», jault der Mann «und ich über die seit Jahrhunderten unterdrückten Frauen» jammert die Befindliche. 
Hat Jaul recht? Oder Jammer? In dieser Debatte kann es gar keine Sieger mehr geben. Die Befindliche greift zum üblichen Weibchen-Mittel, verlässt die Runde, weint, das lasse sie sich nicht bieten. Er ebenso nicht, wettert der Mann und greift zum üblichen Männchen-Mittel, laut, polternd.
Als die Konfetti wieder rieseln, die Teelöffelchen wieder klirren, schimmert die Erkenntnis durch; die MeToo-Debatte war dringend nötig, aber sie treibt willkürliche Stilblüten und wenn die Frauen nun zu den gleichen Mitteln greifen, die sie den Männern vorwerfen, dann wird die ganze Liebesmüh umsonst sein. Much ado about nothing. Wie schon Shakespeare wusste. Aber der Rest ist nicht Schweigen, sondern eine Gegen-Empörung. Einem Mann, der von seiner eigenen Unsicherheit spricht, Lächerlichkeit entgegen zu schleudern, ist nämlich auch ein Übergriff.  

Popular Posts

Recent Posts

Blogverzeichnis - Bloggerei.de

Text Widget

Powered by Blogger.

Über mich

Mein Bild
Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

Wetten dass und die unglaubliche WOW!!!!-Michelle

Er ist wieder da . Im schwarz-roten Blingbling-Anzug tritt Thomas Gottschalk auf und erhält sofort eine Standing Ovation. «Ich bin’s doch nu...

Dieses Blog durchsuchen

Stefan Del Fabro

Stefan Del Fabro
Autor und Journalist

Recent Posts

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Follow Us

Blogverzeichnis - Bloggerei.de Blogger United

Flickr Feed