Donnerstag, 2. März 2017

Nicht vom Aff gebissen. Sondern vom Kampfhund



Das blöde Tier war in der Nacht nur als grauer Schemen zu erkennen. Ich war auf dem Weg zum Auto, als ich einen Pfiff, einen Schrei und ein merkwürdiges Hecheln hörte. Ich drehte mich um und sah noch, wie der graue Schemen zum Sprung ansetzte. Viel Zeit zum Nachdenken oder reagieren blieb nicht, ich hob meinen Arm und so erwischte mich der Hund anstatt im Bauch an der Hand, wo er zubiss, aber, ich weiss bis heute nicht warum, schnell wieder losliess. Plötzlich waren andere Menschen da, die Hundebesitzerin zerrte an ihrem Köter, meine Freundin stand neben mir und meine Hand sah aus…na, wie durch den Hundewolf gedreht. Warum mich der Hund unvermittelt angegriffen hatte, blieb unklar. Vielleicht hatte er mich in der Nacht als Bedrohung wahr genommen und wollte seine Besitzerin schützen. Nach ein paar Wochen Heilung war der körperliche Schmerz weg. Aber der psychische Schock blieb. Jeder bellende Pudel versetzte mich von nun an in eine Schockstarre und mein neuer Lieblingssatz wurde „Er tut nichts, keine Sorge.“ Ha ha! Einmal trat ich auf dem Fahrrad sogar reflexartig nach einem Pinscher, der nichts anderes gemacht hatte, als meine Waden keck anzuschauen. Wahrscheinlich war das alles nur Fehlalarm aber ich merkte, dass meine Lebensqualität zu leiden begann. Also was tun? Einen grossen Bogen um alle Hunde zu machen ist schwierig in einem Land, wo es über eine halbe Million davon gibt.
Das ist – nur zum Vergleich – mehr, als Menschen in der Stadt Zürich leben. Die Hunde sind also die grösste Schweizer Stadt. Ich suchte und fand eine Hundetrainerin.
„Einen menschlichen Klientel hatte ich noch nicht“, erklärte sie mir, wollte mich aber dennoch empfangen. Die Frau war spezialisiert darauf, „bösen“ Hunden ihre unangenehmen Eigenschaften wieder abzutrainieren. Sie hätte bisher etwa 300 Hunde gehabt. Nur zwei davon seien so schwer gestört gewesen, dass nichts mehr zu machen war. Hunde seien ja keine bösen Tiere, sie werden von Menschen dazu gemacht. Die Frau lebte auf dem Land in einem stattlichen Bauernhaus, die erste Hunde-Trainings-Stunde fand in der Sicherheit ihrer gemütlichen Stube statt. Sie zeigte mir Fotos von Hunden und redete über deren Art zu kommunizieren. Dann liess sie ihre eigenen Tiere in den Raum. Es waren zwei Mammuts in Hundegestalt. Aber die beiden Tiere waren unglaublich gut erzogen. Sie schnüffelten zwar kurz an mir, aber nach einem Befehl der Hundelady, zogen sich die beiden Riesentiere zurück. Erste Stunde geschafft, uff. Aber noch lange nicht geheilt. Das nächste Mal gingen wir zu viert in den Wald. Die Frau, ich – und die beiden Mammuts. Ich musste Hundeleckerli in den Hand nehmen und die Tiere sollten sie aus meiner Faust schlabbern, ohne dass ich zucken sollte. „Sonst freut sich der Hund, denkt sich, spielen und springt nach Ihrer Hand“, warnte mich die Trainerin. Ich musste all meine Beherrschung zusammen nehmen, als Mammut 1 nach dem Futter in meiner Hand gierte. Aber es gelang. Dann schickte die Frau die Hunde einen Weg entlang, sie ging in die andere Richtung und pfiff die Tiere zu sich. Im Affenzahn rasten beide Hunde an mir vorbei. Der Trick war nun, dass ich ich sie nicht beachten sollte. Hunde kommunizieren zu 99% über Körpersprache. Hätte ich auch nur mit der Wimper (oder noch blöder, mit der Hand) gezuckt, wäre einer der Tiere vermutlich stehen geblieben, hochgesprungen und hätte gewufft, ein Spielkamerad.
Die Hundeheilung hat geholfen und der Trainerin bin ich noch heute dankbar; ein menschlicher Kunde, eine Heilung, 100% Trefferquote, Operation gelungen, Patient lacht wieder. Zwar bin ich weiterhin kein Hundefan. Aber ich habe gelernt, die Tiere zu verstehen. Und so bin ich seither ohne weiteren Zwischenfall geblieben. Auch wenn es weiterhin bellende Pudel und gaffende Pinscher gibt. Aber die gibt es auch unter den Menschen auch. 


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