Nicht vom Aff gebissen. Sondern vom Kampfhund
Das blöde Tier war in der Nacht nur als
grauer Schemen zu erkennen. Ich war auf dem Weg zum Auto, als ich einen Pfiff,
einen Schrei und ein merkwürdiges Hecheln hörte. Ich drehte mich um und sah
noch, wie der graue Schemen zum Sprung ansetzte. Viel Zeit zum Nachdenken oder
reagieren blieb nicht, ich hob meinen Arm und so erwischte mich der Hund
anstatt im Bauch an der Hand, wo er zubiss, aber, ich weiss bis heute nicht
warum, schnell wieder losliess. Plötzlich waren andere Menschen da, die Hundebesitzerin
zerrte an ihrem Köter, meine Freundin stand neben mir und meine Hand sah aus…na,
wie durch den Hundewolf gedreht. Warum mich der Hund unvermittelt angegriffen
hatte, blieb unklar. Vielleicht hatte er mich in der Nacht als Bedrohung wahr
genommen und wollte seine Besitzerin schützen. Nach ein paar Wochen Heilung war
der körperliche Schmerz weg. Aber der psychische Schock blieb. Jeder bellende
Pudel versetzte mich von nun an in eine Schockstarre und mein neuer
Lieblingssatz wurde „Er tut nichts, keine Sorge.“ Ha ha! Einmal trat ich auf
dem Fahrrad sogar reflexartig nach einem Pinscher, der nichts anderes gemacht
hatte, als meine Waden keck anzuschauen. Wahrscheinlich war das alles nur
Fehlalarm aber ich merkte, dass meine Lebensqualität zu leiden begann. Also was
tun? Einen grossen Bogen um alle Hunde zu machen ist schwierig in einem Land, wo es über eine halbe Million davon gibt.
Das ist – nur zum Vergleich – mehr, als
Menschen in der Stadt Zürich leben. Die Hunde sind also die grösste Schweizer Stadt.
Ich suchte und fand eine Hundetrainerin.
„Einen menschlichen Klientel hatte ich noch
nicht“, erklärte sie mir, wollte mich aber dennoch empfangen. Die Frau war
spezialisiert darauf, „bösen“ Hunden ihre unangenehmen Eigenschaften wieder
abzutrainieren. Sie hätte bisher etwa 300 Hunde gehabt. Nur zwei davon seien so
schwer gestört gewesen, dass nichts mehr zu machen war. Hunde seien ja keine
bösen Tiere, sie werden von Menschen dazu gemacht. Die Frau lebte auf dem Land
in einem stattlichen Bauernhaus, die erste Hunde-Trainings-Stunde fand in der
Sicherheit ihrer gemütlichen Stube statt. Sie zeigte mir Fotos von Hunden und
redete über deren Art zu kommunizieren. Dann liess sie ihre eigenen Tiere in
den Raum. Es waren zwei Mammuts in Hundegestalt. Aber die beiden Tiere waren
unglaublich gut erzogen. Sie schnüffelten zwar kurz an mir, aber nach einem
Befehl der Hundelady, zogen sich die beiden Riesentiere zurück. Erste Stunde geschafft,
uff. Aber noch lange nicht geheilt. Das nächste Mal gingen wir zu viert in den
Wald. Die Frau, ich – und die beiden Mammuts. Ich musste Hundeleckerli in den
Hand nehmen und die Tiere sollten sie aus meiner Faust schlabbern, ohne dass
ich zucken sollte. „Sonst freut sich der Hund, denkt sich, spielen und springt
nach Ihrer Hand“, warnte mich die Trainerin. Ich musste all meine Beherrschung
zusammen nehmen, als Mammut 1 nach dem Futter in meiner Hand gierte. Aber es
gelang. Dann schickte die Frau die Hunde einen Weg entlang, sie ging in die
andere Richtung und pfiff die Tiere zu sich. Im Affenzahn rasten beide Hunde an
mir vorbei. Der Trick war nun, dass ich ich sie nicht beachten sollte. Hunde
kommunizieren zu 99% über Körpersprache. Hätte ich auch nur mit der Wimper (oder noch blöder, mit der Hand) gezuckt, wäre einer der
Tiere vermutlich stehen geblieben, hochgesprungen und hätte gewufft, ein
Spielkamerad.
Die Hundeheilung hat geholfen und der
Trainerin bin ich noch heute dankbar; ein menschlicher Kunde, eine Heilung, 100%
Trefferquote, Operation gelungen, Patient lacht wieder. Zwar bin ich weiterhin kein Hundefan. Aber
ich habe gelernt, die Tiere zu verstehen. Und so bin ich seither ohne weiteren
Zwischenfall geblieben. Auch wenn es weiterhin bellende Pudel und gaffende
Pinscher gibt. Aber die gibt es auch unter den Menschen auch.
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