Montag, 29. Juni 2020

Heute bin ich ein Anderer als morgen....

Dominic Michel: "Beim Flügel und der Fotoserie interessiere ich mich für den Moment."
Kunst kommt von Können, also ist jeder, der was kann, ein Künstler? Und da jeder was kann, ist - ergo - jeder ein Künstler? Ganz so einfach ist es nicht - auch wenn sich diese läppische Stammtisch-Haltung hartnäckig hält. Gut, sterben die Stammtische langsam aus. Gut, beweist der Aargauer Künstler Dominic Michel mit einer originellen Bilder-Serie im Aargauer Kunsthaus seine Dynamik. "Ich muss daran denken, dass ich heute ein Anderer bin als morgen", sagt er in einem Interview auf der Kunsthaus-Website
Diese kleine, feine Kunsthaus ist einen Besuch wert. Also schlendere ich etwas durch die Räume, verweile und staune, eile und raune, den in einem Museum ist immer alles möglich. Die grosse Freude wechselt genauso unvermittelt mit dem grossen Ärger ab. Plötzlich stehe ich im Raum mit dem Holzklavier. Plötzlich tritt dieser magische Moment ein. Nicht, dass ich darauf warte, aber ich kann mich darauf verlassen. In jeder Ausstellung gibt es ihn, diesen persönlichen Geistesblitz, dieses innere Kichern und das Gefühl von Ankunft. 
Hier steht nicht nur dieses Klavier aus Holz. Hier hängen auch 18 Panorama-Bilder, welche der Künstler in Tours Aillaud in Nanterre bei Paris aufnahm. Die futuristisch aussehende Siedlung wurde 1977 erbaut, die beiden höchsten Türme sind über 100 Meter und es gibt mehr als 1600 Wohnungen. Eine Stadt in der Stadt also.
Umso erstaunlicher, dass auf keinem der Bilder ein Mensch zu erkennen ist. Mal ein durchfahrendes Auto oder ein Handy. Aber Leben? Hier? Nur die Spielplatz-Schlange windet sich aus dem Boden und da der Künstler die Bilder nicht nur als Panorama, sondern auch noch kreisrund darstellt, wirkt alles grotesk verzerrt, der Himmel so fern.  
Dieser Raum mit Klavier und kreativen Panorama-Bildern war mein magischer Moment im Aargauer Kunsthaus. Finde Du Deinen: aargauerkunsthaus.ch/




Freitag, 26. Juni 2020

Es war einmal eine Comedyshow...

Stermann & Grissemann haben sogar einen Wikipedia-Eintrag. Das österreichisch-deutsche Komik-Duo war für mich lange das Lustigste, was es gab. Sie albern seit 1988 gemeinsam rum, sind eingespielt, kennen und necken sich, machen Filme und haben mit "Willkommen Österreich" ihre eigene TV-Show. 
Nur noch doof: Servus Österreich. 

Die aber mehr und mehr zur blödsinnigen Brüll-Orgie wird. Das herablassende Necken gehört zwar schon lange zum Konzept. Wenn Grissemann seinen Partner stets mit "Deutscher" und/oder "Schneemann" anspricht, ist das zwar weder lustig, noch schlimm, dafür ermüdend. Also hat sich Grissemann was Neues ausgedacht: das veritable Anschreien und Herumbrüllen. Selbst Gäste der Sendung werden nicht (mehr) verschont. Und da reicht es mir nun und ich kündige meiner langjährigen, liebsten Comedyshow die Liebe auf. 
Natürlich hat die Show weiter ihre Feinheiten, die aber mehr mit den Sidekicks (Russkaja oder Maschek) oder den oft originell parierenden Talk-Gästen, aber immer weniger mit den Gastgebern zu tun hat. 
Der langsame Abstieg von "Willkommen Österreich" hat angefangen. Oder wie aus der lustigsten Comedyshow der Welt eine peinliche Brüllorgie geworden sind. Also dann, grüss dich, Servus, tschau-tschau Bussi-Bussi-Baba!

Montag, 22. Juni 2020

Die Bratwurscht hätt doch kä Ahnig....

Lachen oder flanken? Schimpfen oder schiessen? Eckball oder eklig? Alles ist möglich im Fussball-Podcast «Sykora Gisler», der regelmässig auf den SRF-Kanälen abgespielt wird. Ich bin begeistert. Da plappern zwei leidenschaftliche Fussball-Fans über die unwichtigste Nebensache der Welt, lassen kein Fettnäpfchen aus, geizen nicht mit Selbstironie und weisen gleichzeitig eine überirdische gute Fach-Kompetenz aus.
Da haben sich zwei gefunden. Tom Gisler ist Radio-Mann, zeigte sein Talent auch schon als TV-Talker während der Fussball-WM. Mämä Sykora leitet als Chefredaktor das – leider völlig unterschätzte – Fussballmagazin ZWOELF und tanzt ebenfalls auf vielen Fussball-Hochzeiten.

Der Xamax-Fan ist Beckenbauer

«Mämä ist der Beckenbauer des Fussball-Podcasts», sagte Gisler, als der Podcast im Herbst 2019 angekündigt wurde. Grossmaul Gisler? Aber ja! Hat er mit seinem kaiserlichen Vergleich recht? Nochmals ja!
Köstlich, wie sich die beiden Gourmets die verbalen Bälle zuspielen und aus ihren persönlichen Präferenzen keinen Hehl machen. Da plaudern der Xamax-Fan Sykora und der GC-Anhänger Gisler über Bananenflanken, die Fussball-WM 1994 oder Geisterspiele. Kein Weg ist zu weit.
Ach ja. In jeder Show sitzt ein Gast. Der sagt dann zuweilen auch noch was. Schauspieler Anatol Taubman ist Servette- und Manchester United- und FC Unterstrass-Fan. Die Ex-Vaduz-Präsidentin Ruth Ospelt sprach über GC. «Das ist ja nicht Hintertupfingen.»
Es sind die üblichen, trotzdem etwas anderen Gäste, welche als dankbare Sidekicks in der Show sitzen und den beiden Hosts Paroli bieten sollen oder wollen und manchmal können. 
«Die Bratwurscht hätt doch kei Ahnig», schallt es im Intro. Wenn das keine Verheissung ist… Und echt: bei aller Flachserei und Ironie, einen besseren Fussball-Talk gibt es nicht. Das Intro ist nur der Anfang einer wunderbaren Freundschaft. 

Dienstag, 16. Juni 2020

Rassismus-Debatte: Weg mit dem Mohrenkopf? Ja! Und.....

Ich mische mich als "weisser, privilegierter Mann" in die aktuelle Rassismus-Debatte. Was erlauben...? Ja, ich erlaube mir. In der Schweiz reden wir darüber, ob der Begriff "Mohrenkopf" nicht abgeschafft gehört, weil er würdelos ist. Kann man darüber reden. Aber dann muss man weiter denken. Es gibt viele Begriffe und Redewendungen, wo die Unterdrückung mit drin ist. Warum gibt es keinen "White Friday"?. Oder warum schiebt nie jemand den "Weissen Peter" zu? Warum heisst es nicht "Weisser Tag für die Börse?" Und gibt es in England gar den berühmten "Weissen Humor"?

Max Frisch, ein Rassist?

In der aktuellen Debatte wird die Kraft des Wortes, der Sprache beschrieben. Also hinfort mit "Black Friday" und dem "schwarzen Peter". Unterschwellig stehen diese Begriffe für einen ebenfalls existierenden, nicht minder üblen Rassismus.
Geschichte umzuschreiben finde ich dagegen sehr läppisch. Man könnte sie neu analysieren und interpretieren. Aber warum jetzt plötzlich Churchill oder Alfred Escher Rassisten genannt, Max Frisch aber aussen vor gelassen wird, verstehe ich nicht. Max Frisch? Ich verehre Max Frisch. Aber noch in den 1950er Jahren schrieb der grosse Dramaturg von "Neger-Musik". Max Frisch-Bücher auf den Scheiterhaufen? 
Die Mohrenkopf-Debatte ist wichtig und richtig und vielleicht führt sie ja tatsächlich dazu, dass wir anfangen weiter zu denken. Ich habe halt so meine Bedenken. Die Hunde bellen bald, die Karawane zieht weiter.  


Sonntag, 14. Juni 2020

Wie viel verdienen Sie?

Das Pro-Kopf-Geldvermögen ist in der Schweiz weltweit am höchsten. Es beträgt satte 171'990 Euro. Nochmals: pro Kopf. Wohlverstanden. 
Geld haben wir also (wobei ich diesen Schnitt hübsch nach unten drücke), aber drüber reden, tun wir weniger gerne. Umso erstaunlicher, was ich im Möbelhaus aufschnappte. Ich schlendere so rum, lasse mich ziellos in Sofas plumpsen und streiche mit sogenannter (😄) Kennermiene über Tischplatten. 
Als ich an einem Info-Desk vorbeikomme, sitzen da der Verkäufer..pardon Möbel-Berater und ein Paar, welches sich wohl gerade etwas gegönnt hat. Was, weiss ich nicht, aber was meine Ohren nun gleich erfahren, erstaunt mich.
"Darf ich Sie fragen, wie viel Sie verdienen?" fragt der Möbel-Berater unverblümt. Leider bin ich schon vorbei geschlendert und kann darum den Ausdruck in den Gesichtern des Paares nicht erkennen. Die sekundenlange Stille erzählt jedoch ihre eigene Geschichte. Ich drossle mein Tempo und höre. "Wählen Sie aus den Antworten A, B oder C. Liegt Ihr Jahreseinkommen bei A zwischen..." Und dann bin ich zu weit entfernt. 
Was soll diese Frage? Was will das Möbelhaus mit dieser A-, B- oder C-Information? Was hätte ich geantwortet? Geht Sie einen Scheiss an. Oder wäre ich brav gewesen? 
Warum kommt mir jetzt bloss Oscar Wilde in den Sinn? "Als ich jung war, dachte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Jetzt bin ich alt und weiss es."
Hätte ich genug (Geld) müsste ich nicht durch dieses Möbelhaus schlendern, hätte das Paar genug, würde es dem Berater den verbalen Stinkefinger zeigen. Hoffentlich haben sie's dennoch getan. Oder jemand anders. 

Montag, 8. Juni 2020

La Suisse existe


Die Lockerungen locken auch mich wieder in die kleine, weite Schweizer Welt hinaus. Schloss Greyerz ist mein Ziel. Die offizielle Schloss-Sprache verspricht nicht weniger als einen "Rundgang durch 800 Jahre Geschichte." 
Kann das Kastell mitten im Freiburgerland diese hochtrabende Erwartung erfüllen? Ja. Und wie! Es ist ein regnerischer Sonntag, nur wenige Gäste scheint es hierher zu ziehen. Die Parkplätze sind zwar gut gefüllt, das Schloss aber ist erfreulich leer. Nur ein paar Vereinzelte streifen durch die Räume und suchen wie ich das Burgfräulein. Rapunzel finde ich nicht. Dafür eine spektakulär alte Hand - die allerdings vor ein paar tausend Jahren einer bereits toten ägyptischen Mumie abgehackt worden sein soll. Da hätte ich ja gleich ins gruselige H.R. Giger-Museum am Fuss des Schloss gehen können. Giger war ein schräger Künstler und hat 1979 einen Oscar erhalten, weil er das schaurige Alien-Monster erschaffen hatte. 
Giger lasse ich heute aber aus. Weiter im Schloss, welches zwar Corona-bedingt für Besucher etwas anders aufgeteilt ist. Aber sehenswert bleibt. Auch die Aussicht ist fantastisch, auch wenn die Ebene mit den zwar versprengten Dörfchen und in der Ferne dem Städtchen Bulle ordentlich von Häusern gelayoutet ist. Was mir auffällt; ich erblicke viele Ställe, aber wenig frei laufende Tiere. Dabei ist doch die Gegend bekannt für ihre schwarz-weiss gescheckten Kühe. Schade.

Unterhalb des Schlosses liegt eine Art Disney-Städtchen, was jedem Amerikaner ein quiekendes "Awesome" entlocken würde. Ich lasse mich verführen und kaufe in der kleinsten Chocolatier der Schweiz eine Waffel mit Haus-Schoggi. Und bin enttäuscht. Die Waffel ist gummig, die Schoggi-Sause breiig.
Ganz in der Nähe liegt der sensationelle Lac de la Gruyére. Man könnte 44 Kilometer um den See laufen. Das ist mir dann doch etwas zu üppig. Aber zwei, drei Kilometer schaffe ich schon, finde ein lauschiges Plätzchen und lausche den Geräuschen des Waldes hinter und des dunkelgrünen Sees vor mir.
Was für ein wunderbarer Ausflug mitten ins Herz von Freundlichkeit. Das Fazit fällt schnell: la suisse existe. Eben doch. 

Samstag, 6. Juni 2020

Die ganze Welt spricht über Rassismus! Die ganze Welt?

Der zerstörerischen Kraft des Rassismus keinen Boden geben, ist wohl die Devise beim Schweizer Staatsfernsehen SRF. Während nämlich die ganze Welt über die Folgen eines brutalen Polizeieinsatzes in den USA spricht, entscheiden sich die Programmplaner beim SRF, in ihrer Talk-Sendung Arena bizarrerweise über das Gegenteil zu reden. Im September dürfen wir Schweizer nämlich - wieder und wieder einmal - über einen plumpen Vorstoss der rechtskonservativen SVP abstimmen: Begrenzungs-Initiative heisst es diesmal. Würde diese angenommen, fallen indirekt auch die bilateralen Verträge, welche die Schweiz mit der EU hat. 
Bizarre Themen-Setzung: im Talk-Flagschiff "Arena" vom SRF wird ausgerechnet
jetzt über die SVP-Begrenzungs-Initiative gesprochen. 

Mit anderen Worten; die Schweiz würde sich damit ordentlich ins Knie schiessen und der selbsternannten Landwirtschaftspartei SVP gingen die Billigarbeiter auf ihren Feldern aus. Aber diesen Widerspruch scheint in der Partei niemand zu merken. Ein SVP-Exponent trompete in der Sendung: "Wir dürfen nicht die Kontrolle am Eingangstor zur Schweiz verlieren." Ein anderer hat Angst um seine Kinder und Enkel. 
Fällt das beim SRF niemandem auf? Die ganze Welt spricht über Rassismus, sucht Lösungen. Und in der Arena wird eine zutiefst rassistische Debatte geführt.
Warum mich das so ärgert? Ich finanziere diesen Quark mit meinen Gebühren mit. 

Dienstag, 2. Juni 2020

Mein offener Brief an die USA

Liebe USA
Wir waren doch Freunde. Als ich das erste Mal bei Dir zu Besuch war, war ich überwältigt. Von der schieren Grösse sowieso. Die Highway's endlos, die Futterportionen überwältigend (ich habe nie wieder derart grosse Jogurt-Behälter gesehen), die Bauwerke faszinierend und dann Deine sensationelle Freundlichkeit. Ich bin regelrecht zusammengezuckt, als ich in einem Restaurant von der Bedienung als "my Dear" angesprochen wurde. Einst fand ich eine Busse an meinem Auto. Als ich sie bezahlen ging in der City Hall der kleinen Stadt, entschuldigte sich der Sheriff sogar bei mir! 
Ich war jung und bin mit offenem Herzen herum gereist. Naiv war ich nie, denn mir sind das Elend und die Schäbigkeit auch aufgefallen. Dort eine marode Brücke, da ein heruntergekommenes Viertel, hier zerlumpte Leute - und nur wenige Blocks (wie Du ja zu sagen pflegst) weiter wieder Glanz und Glorie. 
Deine Theater habe ich besucht, Deine Sportanlässe, Deine Geschichte habe ich studiert, Deine Menschen habe ich getroffen. 
Und zunehmend ist auch mir der wieder stärker werdende Rassismus aufgefallen. Bei üblen Naziausschreitungen 2017 im Charlottesville war ich gar nicht so weit weg im Bundesstaat Maryland und entsetzt, als Dein Präsident von "very fine people" auch bei den Nazis schwafelte. Keine Sorge, über Deinen derzeitigen Präsidenten verliere ich kaum weitere Worte. Das ist es nicht wert.
Mein Herz blutet guter, alter Freund, wenn ich Dich heute im TV sehe oder über Dich in Zeitungen und Online lese. Da wurde - erneut - ein Schwarzer von Polizisten zu Tode gequält. Plötzlich erhebt sich wie eine Urgewalt Volkes Stimme - Proteste schwappen durch Deine Städte, alle vereinen sich, selbst Vertreter der Behörden knien nieder. Berührende Bilder, wiederum. 
Aber viele, die hören sollten, sind taub. Verstecken sich in Bunkern, schwafeln und twittern und wirbeln einen braunen Bodensatz auf. Ich hätte es nicht für möglich gehalten und bin entsetzt. Liebe USA, wir waren doch mal Freunde. Was ist aus Dir geworden, Land of the Free? 
Aber es gibt sie noch, die Stimmen der Vernunft, Wärme und der Güte. Der Polizeichef von Houston scheint ein grossherziger Mann zu sein: 


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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

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