Freitag, 28. April 2017

Über "Captain Fantastic": Sechs Kinder leben im Walde, fast still und stumm

Noch tappt der stolze Hirsch ganz unschuldig durch den Wald, noch schaut der Zuschauer dem Tier ebenso unschuldig zu. Das Unheil - für den Hirsch - bahnt sich in einem knackenden Geräusch an. Das Tier schaut auf, im grünen Hintergrund ist plötzlich ein grauer Schemen zu erkennen, welcher durchs Unterholz bricht und dem Hirsch das Messer ins Herz rammt. 

Etwas dick aufgetragene Kritik

Die Waldhorde muss in
die Zivilisation.
So startet "Captain Fantastic", ein Film, der am Filmfest Cannes seine Weltaufführung erlebt, aber keinen Siegeszug angetreten hat. Das hat wenig mit dem schnellen (und blutig inszenierten) Hirschtod als wohl vielmehr mit der manchmal etwas gar dick aufgetragenen Gesellschaftskritik zu tun. Die aber durchaus ihre Richtigkeit hat. 
Der Aussteiger Ben lebt mit seinen sechs Kindern mitten im Wald und bringt ihnen alles bei, was sie zum Leben benötigen. Und das sind nicht nur Basics wie Jagen, Töten, Essen zubereiten, sondern auch Philosophie, Geschichte, Politik. 
Ben's Frau und Mutter schliesslich lockt die Waldhorde raus in die Zivilisation. As sich die Frau das Leben nimmt, müssen sich Ben und Kinder einer ihnen fremden Realität stellen. Hier kommt es zu komischen, manchmal arg überdrehten Situationen, die aber dennoch stets ans Herz gehen. 

Überragend sind die Kinder-Darsteller

Was "Captain Fantastic" besonders sehenswert macht, ist das grossartige Schauspiel der Halbwüchsigen und Kinder. Famos, wie selbst die Kleinste aus dem Stegreif über die "Bill of Rights" nicht bloss schwafeln, sondern geradezu philosophieren kann. 
Viggo Mortensen überzeugt als Vater Ben, Frank Langella als Grossvater und in einer Nebenrolle ist auch Steve Zahn zu sehen. 
"Captain Fantastic" wird seinem Filmtitel zwar nicht unbedingt gerecht, denn weder ist die Familien-Dramödie fantastisch noch ist Ben ein Captain. Aber sehenswert ist der Streifen allemal. 

Zürich will keine öffentlichen Männer-Klo's mehr, weil......

Auch in der sauberen Schweiz ist der Gang auf ein öffentliches Klo selten angenehm - aber wenigstens erleichtert der Gang so einiges. 
Nicht mehr lange. Zumindest nicht auf öffentlichem Grund. In Zürich naht das Ende der Männer-Klo's. Sie sollen verschwinden.
Weil sie besonders eklig sind? Nein. Die Erklärung ist viel profaner. Männer-Toiletten diskriminieren Frauen. Findet zumindest die Stadt Zürich. 
Zürich hat einen WC-Masterplan.
Damit sich keine Frau diskriminiert fühlt. 
"Jetzt habe ich mir doch glatt in die Hosen gemacht vor Lachen", kommentierte ein - männlicher - User auf einem Online-Portal diese Meldung. 

Männer-Klo's stammen aus "anderen Zeiten"

Warum genau diskriminiert ein Männer-Klo die Frauenwelt? Der Tages-Anzeiger aus Zürich schreibt: "Der 270 Seiten starke Masterplan Züri-WC sieht keine Zukunft für die öffentlichen Männer-Klos der Stadt Zürich. Vier fixe Anlagen gibt es. Diese würden aus "anderen Zeiten" stammen. Sie bleiben nur noch in Betrieb, solange sie ihren Zweck erfüllen. Neue Anlagen sind aus Gleichstellungsgründen nicht vorgesehen."
Die Online-Kommentierer kriegen sich fast nicht mehr ein. Eine Auswahl:
  1. Aha, und Bekannte mussten - als sie eine Kita eröffnen wollten - extra ein Männer-Klo erstellen, da dies sonst die Väter diskriminieren würde.
  2. Und was ist mit den Frauenparkplätzen in öffentlichen Parkhäusern? Spielplätze mit zu niedrigen Schaukeln für Erwachsene? (In jedem Mann steckt ja bekannterweise ein Kind ;-)
  3. Genau so gut könnte man Gynäkologen oder eine Geburtenabteilung im Krankenhaus als diskriminierend anschauen.
  4. Am besten wäre es doch, wenn die Genderwahnsinnigen soweit gingen, eine Initiative zu lancieren, die per Gesetz vorschreibt, dass Männer und Frauen biologisch absolut identisch sein müssen.
  5. Die Ersteller und Mitarbeiter des Masterplans.... sind nicht ganz dicht, also im Kontext inkontinent - ein 270-Seiten starkes Behördenwerk für Wc's... 
  6. Bravo! Endlich haben wir in der Schweiz echte Probleme zu lösen. Die Welt wird neidisch auf unser "Gepinkel" schauen!
Hoffentlich dringt diese Brunz-Idee aus Zürich bloss nie bis nach Brüssel vor. Was passiert dann mit dem armen Manneken-Pis?


Dienstag, 25. April 2017

"Der Bienenmann" hat mich ordentlich durchgesummt

Das ist eines dieser Bücher, das mit einer ganz simplen Ausgangslage startet. Ein als Imker (oder eben Bienenmann) verkleideter Täter, dringt in einem Seengebiet an der Schnittstelle von Berlin und Brandenburg in Häuser ein und bringt scheinbar wahllos Leute um, andere verletzt er und ein Kind entführt er. Die Polizei beginnt zu ermitteln - und der Autor beginnt, uns Leser an der Nase herumzuführen.
Summsumm macht der Bienenmann.
Gelungenes Krimidebüt von Elias Mattay. 

Nichts ist so, wie es scheint

Das zusammengewürfelte Ermittlerteam aus Potsdam und Berlin arbeitet eher gegen- als miteinander, die junge Brandenburger Polizistin Jana lässt sich in einer Affäre auf ihren Vorgesetzten Frank ein um alsbald zu erkennen, dass er sie nur benutzt. Der Berliner Bulle Roman Baer kümmert sich parallel um seine Frau, die nach einem Schlaganfall im Krankenhaus liegt, wirft aber ebenso ein Auge auf die Kollegin Liv Grünberg, die wiederum von ihrem eigenen Mann in den finanziellen Wahnsinn getrieben wird. 
Hier die Übersicht zu behalten, ist gar nicht so einfach, zumal weitere Komplikationen auftauchen. 

Als ob einem ein Bienenschwarm um den Kopf schwirrt....

Und dann ist da natürlich noch die Hauptstory. Wer ist der Bienenmann? Who Did It? Was steckt hinter diesen Attacken auf die Villen am See? Als ob man in einen Bienenschwarm geraten ist, beginnt schon bald der Kopf zu schwirren. Aber nicht vor Ärger, sondern vor Vergnügen, denn ich leide mit den Figuren wie Roman, Jana, Liv, Solveigh, selbst mit dem Unsympath Frank und anderen Charakteren mit. 
Der Autor hält sich selber bedeckt und schreibt auf seiner Homepage über sich selber. "Elias Mattay hat als Psychologe mit zahlreichen Strafgefangenen und auch wissenschaftlich zu Fragen der Kriminalität gearbeitet. Er lebt mit seiner Familie in Berlin. Unter verschiedenen Namen veröffentlichte er Erzählungen, Romane und Hörspiele für Kinder und Erwachsene."

"Der Bienenmann" hat mich neugierig auf mehr gemacht und ich hoffe auf weitere Geschichten aus der Feder des Elias Mattay. Mehr Infos zum Autor auf seiner Website: http://elias-mattay.de/

Sonntag, 23. April 2017

"The Founder"; der bitter-böse Film über den Aufstieg von McDonalds zur grössten Fastfoodkette der Welt

"Der Fuchs ist im Hühnerstall. Und wir haben ihn rein gelassen." Die Restaurant-Besitzer und Gebrüder Richard und Maurice McDonalds schauen sich ratlos an, denn sie ahnen, dass das Ende ihrer eigenen Idee eingeläutet ist.
"The Founder" ist ein Biopic über den Mann, der aus der kleinen, feinen Gastro-Idee einen Weltkonzern gemacht hat und das sind nicht die McDonalds selber, sondern der hinterlistige Ray Kroc. Dieser ist ein halbseidener Vertreter, der in den frühen 1950ern durch Amerika tourt um Klapptische oder Milchshake-Mixer verkaufen zu können. Nichts gelingt - bis er auf das ausgetüftelte Speedy-Konzept eines Restaurants im kalifornischen San Bernardino stösst. Kroc kommt mit den beiden McDonalds-Brüdern ins Geschäft und zieht - gegen ihren Willen - eine Kette von weiteren Lokalen auf. Der Siegeszug des Fastfood beginnt und den beiden Brüdern und Namensgebern bleibt am Schluss kaum mehr der Dreck unter den eigenen Fingernägeln, währenddessen Kroc nicht nur reich, sondern auch immer unsympathischer wird. 

Michael Keaton kann fast alles

Brillant spielt Michael Keaton den habgierigen Ray Kroc und beweist einmal mehr, dass er der Mann für viele Hollywood-Fälle ist. Egal ob debiler FBI-Bulle (Jackie Brown UND Out of Sight), Reporter (Spotlight oder Schlagzeilen), Theatermann (Birdman) oder geisteskranker Killer (Desperate Measures), Keaton kann fast alles. Nur Batman ging nicht. Aber am Flattergewand sind schon andere gescheitert.
Erstaunlich, dass Keaton aus seinen bisher 76 Filmen erst einmal eine Oscar-Nomination (Birdman) erhalten hat. 

McDonalds füttert täglich 1% der Weltbevölkerung

Auch erstaunlich; "The Founder" ist an den Kinokassen gefloppt. Der Film war mit Herstellungskosten von 7 Millionen Dollar zwar ein Hollywood-Schnäppchen, aber mit einem Einspielergebnis von rund 12,7 Millionen Dollar (Stand 14.4.17) finanziell nur knapp schwarz.
Komisch. Den McDonalds-Lokalen werden noch immer die Türen eingerannt. Die Burgerkette füttert jeden Tag 1% der Erdbevölkerung. Aber den Film über die Geschichte dahinter wollen die Leute kaum sehen. Schade. 

Samstag, 22. April 2017

Die verstörende Welt des Bernhard Aichinger

Eine Anti-Heldin aus einer Mini-Stadt. Stakkato-Sätze. Verstörende Momente. An die Wand knallende Kaninchen. Abgesägte Köpfe. Eingesperrte Menschen.
Nein, die Welt des österreichischen Autors Bernhard Aichinger ist nicht jedermanns Sache. Wohl genau deshalb, bringt es der Mann mit dem sperrigen Namen wohl zu Weltruhm. Hunderte Bücher werden jedes Jahr von Englisch ins Deutsche übersetzt. Den umgekehrten Weg schaffen nur zehn Bücher. 10! Und die von Aichinger gehören dazu. Damit ist er im Krimi-Olymp angekommen. Brünhilde Blum - oder wie sie sich selber nennt, Blum - wird nun auch zwischen New York und Los Angeles zur Kenntnis genommen. Innsbruck als Tatort brennt sich auch in amerikanische Hirne. 
Ich wähle Bücher nach vielen Kriterien aus - oder nicht. Umschlag, Titel müssen mir gefallen. Dann schlage ich das Buch an einer beliebigen Stelle auf und lasse den Sog auf mich wirken. Manchmal zieht es mich rein. Manchmal nicht. Nach diesem Prinzip verschmähe ich auch manch grossen. Jussi Adler-Olsen zum Beispiel fasziniert mich nicht, David Baldacci ebenso wenig, auch Charlotte Link oder Elizabeth George packen mich nicht. 

Faszination und Ekel in einem

Und so ist es mir lange mit Bernhard Aichinger gegangen. Sein Markenzeichen, diese Mini-Sätze, Stakkato-Beschreibungen, haben mich abgetörnt. Ich fands doof. Dann sah ich den Autor in einer Talk-Sendung. Ein ganz normaler Mann sass da und beschrieb seine Anti-Heldin schon fast mit Zärtlichkeit. Also klappte ich noch ein Buch auf. Wiederum stockte mein Hirn, aber diesmal tauchte ich ein. Und war gleichermassen fasziniert wie angeekelt. Natürlich mögen die Motive der "Heldin" Blum nachvollziehbar sein. Sie mordet nur Leute, die es verdienen. Die Mörder ihres Mannes bringt sie zur Strecke, die Mörder ihrer Schwester jagt sie durch Süddeutschland. 

Der Horror da draussen ist viel arger

Ich glaub, ich mag die Blum nicht. Aber ich lese mich doch in ihre fürchterlichen Bluträusche hinein. Sie ist der Weib-gewordene Hannibal Lecter, Motive nachvollziehbar, liebevolle Mutter, wildgewordene Raserin, wenn jemand ihren emotionalen Panzer durchbricht. 
Braucht die Welt solche Bücher? Vielleicht sind sie gerade ein Spiegel der heutigen Zeit. Wo die Zärtlichkeit auf Horror trifft. Dort die frierenden, entsetzten Flüchtlinge, hier die Wohlstands-Gesellschaft, die sich über Fahrpläne ärgert und rote Ampeln. Vermutlich BRAUCHT die Welt solche Bücher. Der Horror da draussen ist viel arger. 

Mittwoch, 19. April 2017

Mehr als 100 £ für ein Fussballticket bezahl ich nicht. Oder....?

"Wo haben Sie dieses Ticket gekauft?"
Scheisse. Scheisse, was will der Typ? Kann ich nicht einfach hier sitzen und das Spiel schauen?
"Ähm... also....ausserhalb des Stadions halt", stammle ich. 
Einmal ins legendäre Wembley-Stadion. Nach 15 Minuten
bin ich aber schon wieder draussen. Rausgeschmissen!
Der Mann hat ein freundliches Dackelgesicht, aber er sieht leider auch sehr, sehr offiziell aus in seinem schnittigen Anzug mit dem Wembley-Emblem auf der linken Brusttasche.
"Na, dann kommen Sie mal mit", fordert mich der strenge Dackelmann auf. 
So würdevoll es halt geht, stehe ich auf und setze meine lässigste Terminator-Miene auf "I'll be back". Nur ein paar Reihen vor mir habe ich Mick Jagger (ja, DER Mick Jagger) entdeckt. Und ist das da nicht Prinz William? Noch vor wenigen Momenten habe ich mich wie der Fussballfankönig der Welt gefühlt. Reihe 13 auf der Haupttribüne des Wembley-Stadions, englisches Pokalfinal, auf dem Rasen die Erzrivalen Chelsea und Manchester United. Ich folge dem Wembley-Mann und denke daran, wie ich in diese Situation geraten bin.

Wir sind ja nicht verrückt. Mehr als 100 Pfund zahlen wir nicht. Oder?

Ein paar Tage mit einem Freund in Southend-on-Sea, einem netten Städtchen an der Ostflanke des Empire. Es hat einen Pier mit Karussell, ein paar nette Pubs, zur Ebbe liegen die Boote im Watt und die Mädchen tragen zu enge Hotpants. England im Frühling halt. Als wir am Samstagmorgen die Zeitung lesen, erfahren wir, dass in London das Pokalfinale angesetzt ist. Heute. Eines der traditionsreichsten Fussballspiele der Geschichte. Und wir sind nur 60 Meilen entfernt. Nur zwei Stunden später sind wir mitten im Fan-Trubel vor dem legendären Stadion. Natürlich ist das Spiel ausverkauft. Aber es stehen jede Menge Kartenverkäufer rum. Wir setzen uns ein Limit von 100 Pfund. Was zu der Zeit umgerechnet etwa 250 Schweizer Franken sind. Wir sind zwar beide Fussballfans. Aber wir sind nicht verrückt. Doch schon der erste Kartenverkäufer lacht uns aus. 100 Pfund? Haha. Er will 500 Pfund. Nicht mit uns. Der nächste verlangt 450. Wir versuchen zu handeln. Nichts zu machen. Dann ein Angebot über 400. Immer noch zu viel. Als wir aber auf Brian im hellblauen Poloshirt treffen, der uns zwei Karten für je 350 Pfund verkaufen will, werden wir schwach. Ach komm, englischer Cupfinal, wann haben wir mal wieder die Gelegenheit? Wir zapfen den nächsten Cashautomaten an, übergeben die 700 Pfund - oder umgerechnet 1750 Schweizer Franken - und ziehen stolz wie Anton ins Heiligtum des Weltfussballs ein. 
Gesucht und gefunden; 2 Tickets für 1750 Franken.
Aber es wird noch besser; wir haben VIP-Karten erwischt, demzufolge wir zum VIP-Eingang rein dürfen, wo hübsche Hostessen in kurzen Röckchen stehen und dezente Herren in dunklen Anzügen. Unsere Karten werden gescannt, alles gut und dann dürften wir zusammen mit den Celebs noch etwas Austern schlürfen oder Cupcakes futtern. VIP-Eingang bedeutet auch ein fantastisches Buffet mit auserlesenen Speisen. Aber uns drängts zum Spiel. Austern essen? Come on!
Unsere Plätze sind fantastisch. Reihe 13. Hätte bei dieser Zahl nicht schon mal eine dezente Alarmglocke klingeln müssen? Das Spiel beginnt und ist etwa eine Viertelstunde alt, als der Dackelmann auftaucht. 

Und was haben wir daraus gelernt? Nichts natürlich

Er führt uns in einen Raum mit uniformierten Polizisten, wo wir erfahren, dass wir uns Zutritt mit gestohlenen Tickets verschafft hätten. Gestohlen? Wir erzählen von Ticketverkäufer Brian, beschreiben den Mann und sein hellblaues Poloshirt was uns natürlich auch nicht wirklich weiterhilft. Immerhin sind alle Chelseafans blau gekleidet. Wir hinterlassen unsere Personalien und dann kommt wieder der Dackelmann. "Bitte verlassen Sie jetzt das Stadion." Irgendeine schmale Pforte öffnet sich und wir stehen wie die belämmerten Gartenzwerge vor dem Fussballtempel.
Als wir eine halbe Stunde später in einem Pub sitzen und uns die Fortsetzung des Spiels bei Bier&Chips anschauen, entdecken wir bei einem Schwenk über die Tribüne "unsere" Sitze. Leer. Dafür haben die uns rausgeschmissen? 
Haben wir übrigens was gelernt? Natürlich nicht. Etwa ein Jahr später stehen mein Freund und ich wieder vor einem ausverkauften Stadion, diesmal an der EM-Endrunde. Wieder bekommen wir Tickets auf dem Schwarzmarkt. Wieder setzen wir uns frohgemut hin. Aber ein Dackelmann taucht diesmal nicht auf. Alles gut mit unseren Karten. Moral der Geschicht? Was einmal schief geht, klappt das zweite Mal. 

Dienstag, 18. April 2017

Holy shit auf dem Holy way oder was der Jakobsweg so alles mit uns macht

Die genau gleiche Bemerkung kann in unterschiedlichen Zeiten eine völlig andere Reaktion zur Folge haben. Dieses (fiktive) Gespräch stammt aus den späten 80ern: 
Ich habe das Buch nur gelesen,
geschrieben hat es mein Namensvetter
Stefan Albus.
Mann: "Ich mache den Jakobsweg."
Frau: "Du meinst die Krönung von Jacobs Suchard?"
Und dieser Dialog ist aus der Gegenwart:
Mann: "Ich mache den Jakobsweg."
Frau: "Bist Du den fit genug?"
Wer noch vor 30 Jahren sagte, er gehe auf den Jakobsweg, wurde kaum verstanden. Nur ein paar hundert Pilgerer machten sich noch bis in die frühen 90er auf nach Santiago de Compostela. Es galt als völlig uncool, mit Rucksack wochenlang durchs furztrockene Nordspanien zu latschen. Aber dann kamen die Promis. Die Schauspieler Michael Douglas und Shirley MacLaine, der 007-Regisseur Mark Forster oder Moderator Frank Elstner gingen auf den Jakobsweg, ohne aber grosses Aufhebens zu machen.
Eine kuriose Idee hatten Künstler Salvador Dali und Ex-Beatle John Lennon. Sie wollten mit 100 Hippies den Weg machen. Doch Lennon wurde erschossen und der Pilger-Hype liess weiter auf sich warten.
Dann folgten Paulo Cuelho und Hape Kerkeling und die Pilgerzahlen explodierten. 1998 machten weniger als 25'000 Menschen den Weg, über eine Viertel Million Menschen waren allein 2016 auf dem Holy Way. Das hatte dann nur noch wenig mit der Jacobs-, sondern bestenfalls mit der eigenen Krönung zu tun. Unterdessen ächzen die Regale unter der Literatur und den Ratgebern, es gibt Websites, Statistiken, Fachleute, Gruppierungen zum Jakobsweg und wer noch nicht war, gilt schon fast als Aussenseiter. 

Nur noch ein paar hundert Kilometer

Hat mit dem
Jakobsweg nix
zu tun. 
Was es aber noch nicht gibt, ist das, was der Kölner Autor Stefan Albus gemacht hat; ein Buch über das, was der Jakobsweg mit den Menschen macht: "Jakobsweg - und dann?". Er redet mit Leuten, die unterwegs waren, lässt sie ausgiebig zu Wort kommen und macht damit den Aussenseitern - wie ich als Noch-Nicht-Jakobsweg-Geher einer bin - Mut. Sein Buch ist jetzt nicht der ultimative Pageturner. Aber tut gut. "Letztlich geht es nur darum, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Wer das nach ein paar Hundert Kilometern mit dem Pilgerstab in der Hand einmal verstanden hat, der fühlt sich nicht mehr ausgeliefert." Danke Namensvetter Albus und Buon Camino. 
Hier gehts zur Seite von Stefan Albus. 

Samstag, 15. April 2017

Was wäre, wenn .... es das Attentat auf JFK nie gegeben hätte?

Der Titel 11.22.63 ist das Datum des Attentats auf JFK,
also der 22. November 1963. 
Eigentlich mag ich keine TV-Serien. "Lost" und "Game of Thrones" und "Breaking Bad" sind alle an mir vorbeigezogen. Freunde konnten noch so schwärmen. Ich blieb stur. Nein, ich schaue keine Serien. Ich mag Filme. Ja. Eine Geschichte, erzählt in 2 Stunden. Perfekt. Aber wozu soll ich mich stundenlang abquälen um ein paar Verrückte auf einer Insel zu beobachten, warum soll mich die Zombie-Apokalypse faszinieren? 
Nö. Serien sind nichts für mich. Die letzte Serie, die ich geguckt habe, war Dallas. Und diese Jugendsünde ist verjährt.
Dann kam "House of Cards". Ich wehrte mich vergeblich. Was Francis und Claire Underwood tun (habe darüber geschrieben), hat mich begeistert. Jubel, denn jetzt ist die 5. Staffel in Vorbereitung. Als Ex-Journalist war ich fasziniert von "The Newsroom", auch wenn diese Serie nur drei Staffeln überlebte. 
Nun habe ich "11.22.63" in die Finger gekriegt, basierend auf dem Buch "Der Anschlag" von Stephen King. Der Grossmeisters des Horrors kann auch ganz fein, das hat er zum Beispiel bewiesen mit "Joyland".
Den 850 Seiten dicken "Anschlag" in einen 2stündigen Film umzubauen, hätte kaum geklappt. Aber als 8teilige Mini-Serie hats funktioniert. Auch wenn gegenüber dem Buch ein paar Veränderungen passiert sind. Die Hauptfigur Jake (James Franco) kriegt hier einen Kumpel. Die Autorin Bridget Carpenter sagte, sie möge kein Voice-Over, also habe sie die Buch-Figur des Kumpels ausgebaut. Es funktioniert. Und der Buchautor Stephen King äusserte sich zufrieden.

Der Finger zuckt zur Vorspultaste

Alles gut also? Bedingt. Zwar ist es stimmig, wie Jake in die Vergangenheit reist um zu versuchen, das Attentat auf JFK zu verhindern. Dabei stellt sich ihm die "Zeit" in Form diverser Hindernisse in den Weg. Ausserdem findet Jake in Sadie seine grosse Liebe, was einer Stephen King-Geschichte eine reizvolle Zusatznote gibt.
Aber es hat Längen. Es rumpelt, ächzt und stöhnt und der Finger zuckt dann schon mal zur Vorspultaste. 
Der Zuckerguss am Schluss ist grad noch erträglich und die berühmte "Was wäre, wenn"-Frage kann man sich getrost selber stellen. Hätte ich doch damals so und nicht anders gehandelt. Wäre. Würde. Tja, der gute, alte Konjunktiv.
"11.22.63" hat mich voll erwischt. Und das will was heissen, denn wie gesagt, um TV-Serien mache ich in der Regel den ganz grossen Bogen. 

Neues aus dem Heuchler-Dorf Brittnau

Wo führt denn das hin, wenn da plötzlich jeder 
Flüchtling durch die Schweiz wandern würde?
Den Taliban sind sie entwischt. Der Schweizer Bürokratie nicht. Die beiden afghanischen Asylbewerber Mohammed und Hamid leben in der engstirnigsten Schweizer Gemeinde, in Brittnau. Zuerst wollte das Dorf gar keine Flüchtlinge aufnehmen und wehrte sich mit den blödsinnigsten Argumenten dagegen. Ich habe darüber geschrieben. Nun sind sie da, die Asylsuchenden, im Dorf, das sie nicht will. Aber jetzt erlaubt sich Brittnau den nächsten Schabernack. Raus dürfen die Flüchtlinge nämlich auch nicht.
Und das kam so. Hamid und Mohammed hatten eine Idee. Wenn sie schon in der Schweiz sind, dann wollten sie sich das Land auch gleich anschauen und beschlossen, durch die Schweiz zu wandern. Ein Klacks, denn ihre Heimat ist mehr als 15 mal grösser. Die beiden schmiedeten Pläne, richteten eine eigene Website ein und redeten sogar mit einem Journalisten. Das war der Fehler. Denn nun erfuhr der kleinliche Gemeinderat von den Wanderplänen und legte sich aus "rechtlichen, medizinischen und versicherungstechnischen Gründen" quer. 
Für kein Geld der Welt, 
würde ich im Pfui-Dorf Brittnau
wohnen wollen. 
Eine Ausnahme kann der Gemeinderat selbstverständlich keine machen. Wo kämen wir da hin, wenn alle Asylbewerber kreuz und quer durch die hübsche Schweiz latschen würden? 
Aber die beiden Wandervögel lassen sich (noch) nicht entmutigen. Auch nicht von dummdreisten und blödsinnigen Kommentaren auf Online-Plattformen. Da schreibt doch tatsächlich eine Frau Egli: "Wir leben in einer Zeit des Terrors - es darf und kann nicht sein, dass zwei Afghanen frei durch die Schweiz spazieren."
Nein liebe Frau Egli, das kann nicht sein. Ich hoffe, Sie machen Ihre Ferien stets im Heidiland. Es kann und darf nicht sein, dass irgendwelche Egli's frei durch die Welt reisen. Es sind schliesslich Zeiten des Terrors. 
Das hinterwäldlerische Dorf schmückt sich übrigens mit dem Slogan "Brittnau - Mis Dorf". Ja, solange Du nicht Mohammed oder Hamid heisst. 

Jungs, lasst Euch nicht unterkriegen

Die beiden sind zwar geknickt. Aber eben, den Taliban haben sie bereits ein Schnippchen geschlagen. Das wäre doch gelacht.... Und sie scheinen mir zwei aufgeweckte Kerlchen zu sein, denn sie schreiben: 
"Für viele Flüchtlinge ist dieses Leben sehr schwierig. Sie sehen keine Möglichkeiten sich zu integrieren und werden frustriert. Wir sehen das nicht so und wollen das mit unserem Projekt zeigen.Während einem Monat wollen wir durch die Schweiz wandern. Jede Nacht schlafen wir bei anderen Schweizern. Wir starten am 1. Mai in Aarau.Wir möchten so viele Menschen und neue Orte von diesem schönen Land kennen lernen. Wir möchten in dieser Zeit etwas Gutes für unsere Integration und für unsere Gesundheit machen."

Donnerstag, 13. April 2017

Die fabelhafte Welt des Michael Mittermeier

Jetzt weiss ich auch wieder, wann ich den Mittermeier das erste Mal live gesehen habe. Er schreibt darüber. Es war im August 1997 am Theaterspektakel in Zürich. Das ist ein jährlich stattfindendes Festival direkt am Zürichsee, bunte Lampione hängen zwischen bunten Zelten, die Stimmung ist ausgelassen und froh und ich hatte eine Karte für einen deutschen Komiker, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. Ich ging rein und zwei Stunden später war die Welt ein bayrisches Stück heiterer und bunter geworden. 

Der war schon mehrmals in New York

Leute, lest Bücher fürs Gemüt. Bücher für die Seele. Bücher wie die Mittermeier-Biografie "Die Welt für Anfänger". Lass Dich vom bayrischen Starkomiker mitnehmen auf seine Lebensreise. Viel Bayern, sehr viel New York, etwas Safari in Afrika, etwas Schmäh in Österreich, ein Kapitel Schweiz, Dialoge mit Kakerlaken, landende Wackeldackel in der Pampa, ernüchternde Begegnungen mit Polizisten, Grenzbeamten und anderen Touristen, die in der Dauer-Plapper-Schlaufe leben. Doch das alles mit viel Schalk erzählt, liebevoll, grosszügig. 
"Dann rauf aufs Empire State Building. Liebe Leser, wenn Euch jemand sagt, das ist ein uncooles Touriding, schenkt ihm einfach eine Packung Mon Chéri und geht weiter. Manhattan von der Spitze des Empire State Building zu sehen ist der Hammer. Es ist ein Wahnsinnsstart für jeden, der die Stadt entdecken will."

Solche Sätze sammle ich für die Ewigkeit

Der Mann ist sich auch nicht zu schade, anderen ihren Humor zu gönnen. Nach einem Auftritt in Wien sass er mit Freunden noch in einem Restaurant, als das Licht ausfiel. "Wir sassen im Halbdunkel und ich rief nach dem Kellner. "Brauchen wir noch was?" Ich: "Ja, ein Osram wäre nicht schlecht." Seine Antwort war ein Highlight in Sachen Spontanität. Ohne eine Sekunde zu zögern, sagte er trocken: "Ihr braucht's ein Licht? Kein Problem, i geh schnell nach hinten, mach eine Elektrikerlehre und dann komm i wieder." Dafür gibt man nicht nur Trinkgeld, sondern müsste eigentlich Eintritt bezahlen. Seit damals sammle ich solche Sätze für die Ewigkeit."
Oder auf Safari in Afrika. Da sitzt ein englisches Paar mit an Bord, er Typ Rambo. "Auf unserer ersten Fahrt trafen wir auf eine Horde Affen, deren Männchen blaue Hoden hatten. Ich wollte schon etwas sagen, als mich meine Frau anstupste. Denn ich hätte nie toppen können, was Rambo von sich gab. "Sieht aus wie eine UN-Blauhelmtruppe, die mit ihren Helmen ihre Eier schützen wollen."
310 Seiten Lebensfreude pur. Und am Schluss beginne ich gleich nochmals von vorne. Servus Michl. 

Mittwoch, 12. April 2017

Del Fabro aus Fabro

Ich habe dann mal mein eigenes Dorf. So. 

Einen Ersatzmieter zu finden ist gar nicht so schwer.....

 ....aber dann die Gnade des Wohnungsvermieters zu finden, umso mehr. Als ich meine letzte Wohnung ausser terminlich gekündigt hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem Nachfolger. Ein Online-Inserat, ein Besichtigungstermin und schon standen die ersten Interessenten auf der Matte. 
Ich zu meinem Vermieter: "Da war ein nettes Paar."
Vermieter: "Waren die jung?"
Ich bin dann mal weg.
Aber zuerst einen Nachfolger suchen.
 
Ich: "Ja, unter dreissig."
Vermieter verzieht Gesicht: "Ach wissen Sie, die bekommen bald Kinder. Dafür ist die Wohnung zu klein."
Also Runde zwei, Online-Inserat, Besichtigung, Interessenten und ich wieder im Dialog.
Ich: "Da war eine nette Yogalehrerin."
Vermieter: "Yoga? Ach wissen Sie, die will dann bestimmt ein Yoga-Studio aus der Wohnung machen."
Ich: "Und der nette Herr so um die 40?"
Vermieter: "Der gerade geschieden ist, oder....?"
Ich (zerknirscht, denn ich ahnte, was kommt): "...äh...ja der!"
Vermieter: "Ach wissen Sie, der geht doch bald zu seiner Frau zurück...."
Wieder nichts.
Also Runde drei, Inserat, Termin, Interessenten.
Ich: "Da war ein nettes Paar in den besten Jahren."
Vermieter: "Wie, in den besten Jahren?"
Ich: "Beide frisch in Pension."
Vermieter: "Ach wissen Sie, da wird einer bald zum Pflegefall...."
Wieder nichts!
Wieder nichts?
Bis es dann endlich soweit war, sind mir noch
etliche graue Haare gewachsen
Ich machte mich schlau. Und merkte, der Vermieter wollte es sich einfach machen. Ob jung, Yoga, frisch geschieden oder Pensionär. Das dürfen keine Ablehnungsgründe sein. Denn im Schweizer Gesetz heissts: "Zumutbar ist ein Ersatzmieter, wenn er bereit und in der Lage ist, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Insbesondere muss der Nachmieter zahlungsfähig sein, muss sich den Mietzins also leisten können."
Also habe ich dem feinen Herrn Vermieter gesagt: "Sie haben ja richtig die Qual der Wahl. Ein nettes junges Paar, ein nettes älteres Paar, eine nette Yogalehrerin, ein netter Herr mittleren Alters. Ich an Ihrer Stelle würde zuschlagen."
Der Frisch-Geschiedene machte dann das Rennen. Aber jammern über die Politik, das können sie echt gut, die Besitzer von Wohnungen und Häusern. 

Dienstag, 11. April 2017

Zahlen? Bitte sehr, eine Zange!

Ich zum Kellner: "Ich würde gerne zahlen."
Kellner: "Bitte sehr der Herr, eine Zange."
Absurd, aber wahr. 

Donnerstag, 6. April 2017

Ein blinder Mann wartet auf den Bus und ich dachte, ich helf da mal

Der Mann steht da und scheint ganz verloren. Also frage ich ihn, ob ich ihm helfen könne.
Wobei, fragt er und schaut mich nicht an. Das kann er nicht, denn er ist blind. Sein Kopf hat sich zwar in meine Richtung gedreht, aber seine Haltung verrät, dass er an mir vorbei guckt.
Wissen Sie denn, welcher Bus kommt? frage ich und probiere einen neuen Hilfeversuch. 
Natürlich. Bus 72 oder 33 gibt er mir zur Antwort und lächelt. Machen Sie sich keine Sorgen, ich kann die Busse akustisch unterscheiden.
Akustisch? 
Ja, der 33er tönt brummiger. Ich werde es Ihnen zeigen. Der 72er zischt mehr.
Ein Bus fährt ein und nun bin ich zwar sehr gespannt, aber natürlich auch nicht mehr weiter überrascht. Der Bus brummt.
Ein 33er, sagt der Mann und lächelt wieder. Aber ich muss auf den 72er. 
Ein blinder Mann steht an der Bushaltestelle und ich dachte, ich helfe da mal.
Das ist sehr freundlich von Ihnen, lächelt der Blinde weiter in eine diffuse Richtung. Aber ich bin schon seit 57 Jahren blind, da haben sich meine Ohren ungemein geschärft. Ist das da ein Labrador fragt er unvermittelt und kippt seinen Kopf um ein paar Grad nach rechts. Tatsächlich, da kommt eine junge Frau mit einem Labrador an der Leine.
Ich bin nicht mehr verblüfft. Sondern beschämt. 
Wie ist es denn möglich, dass mir solche Dinge nicht mehr auffallen? Ich lese nach und stelle fest, dass in der Schweiz immerhin 325'000 Menschen leben, die als sehbehindert gelten. Etwa 10'000 von ihnen sind komplett blind. Was man kennt und doch nicht weiss. 
Ich verabschiede mich, sagt der Blinde unvermittelt und sein Kopf ruckelt in Richtung des nächsten einfahrenden Busses. Dieser zischt. Ein 72er. 

Erfolgreich wahnsinnig oder wahnsinnig erfolgreich - der französische Star-Autor Jean-Christoph Grangé

Manchmal Gänsehaut.
Aber was soll die Titel-Farce?
"Hinzu kam eine wütende Migräne, die seinen Kopf wie eine stählerne Faust zusammenpresste. Er folterte und verstümmelte junge Frauen mit Hunderten von Nägeln und Scherben."
Wer so schreibt ist entweder erfolgreich wahnsinnig - oder wahnsinnig erfolgreich. Jean-Christoph Grangé ist für mich nicht nur der beste Thriller-Autor Frankreichs, auch wenn er mit Bernard Minnier längst einen Bruder im Geist hat.
Durch die Verfilmung der "Purpurnen Flüsse" wurde Jean-Christophe Grangé auch bei uns einem breiteren Publikum bekannt. Wie die Faust aufs Auge passte im Film Jean Reno in die Rolle des Kommissars Pierre Niemans. Unbescheiden sagt der Pariser Polizist zum Provinz-Sheriff: "Ich bin die Mannschaft." Der Starschauspieler wäre auch für die Figur des Erwan Morvan genau der Richtige. In neuen Buch "Purpurne Rache" pflügt auch dieser unkonventionelle Bulle wie eine Abrissbirne im Rausch hinter einem Mörder her, pendelt zwischen der Bretagne und Paris und wird gleichzeitig von seinem prominenten Vater - ohne es zu ahnen - manipuliert bis die Geschichte kulminiert und implodiert. 

Der Titel eine Farce - leider

Von den inzwischen elf Büchern Jean-Christophe Grangés ist zwar auch dieses neue Werk sprachgewaltig und intensiv, eine Horrorwelle auf die nächste überrollt den Leser und hastig wechseln Figuren, Schauplätze und Tatorte. Aber dieses Buch hat mich nicht derartig fasziniert, wie andere Grangé's zuvor. Das beginnt schon beim Titel, wo man eine dermassen offensichtliche Verbindung zu den "Purpurnen Flüssen" machen will, dass es leider fast schon peinlich ist. Warum hat es der deutsche Verlag nicht beim Originaltitel "Lontano" belassen? Es können nur Marketinggründe sein. Denn wenn schon dieser Titel, hätte es eine Fortsetzung sein müssen. Was es natürlich nicht ist. Lesenswert ist es - wers nicht nur gerne blutig, sondern obendrein fürchterlich schaurig mag - allemal. 

Mittwoch, 5. April 2017

Plural von Balkon? Balkonnen natürlich!

Immer dann, wenn mal als Zuschauer denkt, schlimmer geht nimmer, schafft es die Sportabteilung des Schweizer Fernsehens, einem aufs Neue zu unterraschen. Der Reporter für das Cup-Halbfinal-Spiel zwischen dem FC Winterthur und dem FC Basel hiess Reto Held. Ich bin geneigt zu sagen; mein Held.
Müsterchen?
"Weil das Stadion Schützenwiese kein ganzes Stadion ist, können die Leute von umliegenden Balkonnen zuschauen."
Äh...kein ganzes Stadion? Also ein Halbes? Und die Mehrzahl von Balkon? Ganz bestimmt NICHT Balkonnen. Das ist nämlich Holländisch. Aber mir sind noch mehr Tulpen aus dem Kopf gewachsen. Das Spiel hiess - nochmals zum allgemeinen Verständnis - Winterthur gegen Basel. Plötzlich aber sagte der Reporter "Die Schaffhauser im Angriff...." Schaffhausen wiederum ist eine ganz andere Stadt. Liegt 30 Kilometer nördlich von Winterthur. Oder 93 Kilometer östlich von Basel. Aber es ist weder Winterthur noch Basel. 
Mein neuer Reporter-Held war nicht mal der Schlechteste. Der Schiedsrichter hat diese unterirdische Leistung sogar noch unterboten. Aber das ist wiederum eine ganz andere Geschichte.
Resultat übrigens 3:1 für Basel gegen Schaffhau... äh pardon Winterthur auf den Balkonnen. Ich habe fertig. 

Dienstag, 4. April 2017

Warum sind kurze Fragen eigentlich nie kurz?

Du kennst das. Wenn der Chef oder der Politiker oder der Lehrer ankündigt, nur "kurz" was zu erklären, kannst Du schon mal das Nackenkissen aufpusten. Dann wird's nämlich lang. 
Noch besser finde ich die "kurze Frage". Würde man im deutschsprachigen Raum diesen Satz bündeln und in ein gemeinsames Horn stossen, es käme der gewaltigste Banal-Chor der Welt heraus. 
Lustig mögen sie sein, diese beiden Fragen. Aber kurz?



Die psychologische Erklärung liegt auf der Hand. Indem man das "kurz" einbaut, signalisiert man dem Gegenüber, dass man nicht gedenke, allzu viel seiner kostbaren Zeit nutzen zu wollen. Um es dann aber doch zu machen. 
Warum?
Apropos Zeitung und Medien. Auch Journalisten sind vor diesem sprachlichen Plumpaquatsch nicht gefeit:


Was genau ist hier "kurz"? Oder vielleicht war der Redaktor einfach nur zu bequem, die Phrase raus zu streichen. Oder er fand die Frage angemessen kurz. 

Vielleicht hatten die alten Chinesen schon recht: "Wer fragt ist fünf Minuten lang dumm. Wer nicht fragt, ein Leben lang."
Dumm sind sie nicht. Die Chinesen. Und ihre Nasen sind auch schön kurz. 


Die Telefon-Terroristen machen es schon per Handy


Mensch, ärger Dich nicht über die Zwinger-Terroristen.
Die nervigen Telefon-Terroristen werden immer raffinierter. Bereits habe ich erste Anrufe von Handy-Nummern aus erhalten. Aber; was mich zuerst aufgeregt hat, hat mich schon bald gefreut. Eine Handy-Nummer? Da kann ich ja wunderbarstens antworten. Also habe ich eine SMS getippt: "This is the federal police. We are after you. See you soon."
Keine Ahnung, ob es was nützt. Aber es macht Spass.
Und vergesst nicht, woher diese - wenn auch echt mühsamen - Anrufe kommen. Da sitzen arme Schweine zusammen gepfercht in Call Center-Zwingern in Indien oder Irland, verdienen einen Hungerlohn und müssen sich den ganzen Tag zusammen falten lassen. 
Naja, da ist doch unsere Position als Angerufener viel lustiger. Ich habe mir mal so ein Call Center-Stellenbeschrieb angeschaut:

Boomender Markt, Topsalär? Wer da nicht einsteigt, ist selber schuld

Möchten Sie in einem boomenden Marktsegment – in einer Branche mit Zukunft dabei sein?
Lieben Sie den telefonischen Kundenkontakt?
Sind Sie redegewandt?
Setzen Sie sich selbst ehrgeizige Ziele?
Sind Sie grundsätzlich eine positiv eingestellte Persönlichkeit und möchten ein Top Salär verdienen?
Wenn Sie diese 5 Fragen mit JA beantworten können, dann erwartet Sie bei uns Ihr Traumjob!

Wie gesagt. Unsere Position des Angerufenen ist doch viel lustiger. 

Montag, 3. April 2017

Die Nervensäge Bommes und die klügsten TV-Vierlinge

Quiz-Sendungen sind von gestern? Ach was, dann guck mal "Gefragt gejagt" auf der ARD um 18.00. Dort läuft der Sport-Journalist Alexander Bommes zur grossen Moderatoren-Hochform auf, singt in fast jeder Sendung und bringt sogar die Jäger gegen sich auf:
Die vier Herren sind die Jäger, Männer mit einem überdurchschnittlich guten Allgemeinwissen, die in der Quiz-Show gegen Allerwelts-Kandidaten antreten. Meistens setzen sich die Jäger durch, obwohl sie mit verschiedenen Handicaps kämpfen müssen. Die Fragen sind manchmal kinderleicht, manchmal schwerer als das Gotthard-Bergmassiv, der Unterhaltungsfaktor der 40-Minuten-Sendung ist vorallem deswegen so hoch, weil sich Moderator Bommes und der Jäger oft ein leicht angesäuertes Rededuell liefern. 
"Gefragt Gejagt" ist die ideale Show für alle Spätschichtler, Frühfeierabenderer und Teetrinker. 

Sonntag, 2. April 2017

100 Fussball-Länderspiele verloren - trauriger Weltrekord für Liechtenstein

Tore
1290 Tore fielen im Spiel zwischen dem FC Hamburger Berg und dem VfL Wallhaben. Das Spiel ging im Sommer 2016 über 5 Tage oder 111 Spielstunden. Gewonnen haben die Hamburger mit 722:568.
Die meisten Tore in einem Länderspiel erzielte der Australier Archie Thompson. Beim 31:0 gegen Amerikanisch-Samoa traf Thompson 13 Mal.
12 Tore in einem WM-Spiel fielen 1954. Österreich bezwang den Gastgeber Schweiz mit 7:5. Kurios: nach 23 Minuten hatten die Schweizer noch mit 3:0 geführt.
Kunst
Der Ukrainer Nikolai Kutsenko hält den absoluten Rekord im Fußball-Jonglieren. 1995 hielt er den Ball mit Kopf und Fuß 24 und eine halbe Stunde hoch. Der Ball berührte nie den Boden und Kutsenko machte keine einzige Pause.
Kollege Matt Wolstenholme aus England jonglierte im August 2013 den Ball über 20 Kilometern permanent in der Luft.
Karten
Im Spiel gegen Darlington am 24. November 1999 flog Walter Boyd nach null Sekunden Einsatzzeit vom Platz. Boyd wurde eingewechselt, als sein Verein FC Swansea einen Freistoss erhalten hatte. Kaum war Boyd auf dem Platz, schlug er einem Gegner den Ellbogen ins Gesicht. Rot und Tschüss.
Kinder
China will Weltmeister werden. Kein Wunder also, führt ausgerechnet China die grösste Fussballschule der Welt. In der Evergrande Football School in Qingyuan gegen 2577 Schüler zur Schule.
Turnier
12‘238 Mannschaften mit 215‘273 Spieler führten vom Februar 2014 bis Januar 2015 das längste Fussballturnier der Welt in Mexiko durch. Gewonnen hat am Schluss nur eine Mannschaft: Esterella Blanca Black Mamba Tlaxcala. Was vermutlich einen weiteren Rekord für den längsten Namen eines Fussballturniersiegers bedeutet.
Niederlagen
Der Liechtensteiner Mario Frick ist der erste (und bis heute einzige) Nationalspieler der 100 Länderspiele verloren hat. 


Im Visier der gefrässigen Mail-Roboter

Sie sind hinterrücks wie die Rehpinscher, sie sind penetrant wie die Krankenkassen-Anrufer, sie sind stur wie die Esel; Mail-Roboter-Programme. Sie mögen vielleicht den Alltag von überforderten und unfrohen Zwischenstufen-Managern erleichtern. Ich habs grad selber wieder erlebt und ich finde; diese Programme sind einfach nur doof:
Eine NZZ unter dem Arm signalisierte; ich bin ein stinkreicher Banker in Zürich, ich denke an Wertschöpfung, Cash Flow, an meinen Rolls Royce und den nächsten Opernbesuch.
Ein Tages-Anzeiger unter dem Arm signalisierte in Zürich; ich bin arm, aber sexy, weltoffen, urban, humorvoll und arbeite vielleicht als Lehrer oder Büromaus. Tempi passati.
Die beiden grossen Schweizer Tageszeitungen haben sich längst von ihren einstigen Idealen und Lesern verabschiedet. Aus den Zeitungen wurden Medienhäuser mit umfassenden Portfolios, auch der Tagi-Leser kann längst stinkreich sein, auch der NZZ'ler ist weltoffen. 

Für Tiefgang den Spiegel, für die Unterhaltung den Globi

Was beiden ungemein gemein ist; ein Verlust der Qualität. Irgendwann führte sogar die noble Neue Zürcher Zeitung eine Seite "Vermischte Meldungen" oder Farbfotos ein. Aus dem linksliberalen Tages-Anzeiger ist ein seichtes Blättchen geworden, dass sich eher an den billigen Gratiszeitungen als an Qualitätsblättern zu orientieren weiss. 
Und nun kommen also die Rehpinscher unter den Computer-Programmen ins Spiel. Vom Abodienst des Tages-Anzeigers bekomme ich eine Werbemail: "Holen Sie sich den täglichen Tiefgang." Tief gefallen, mein einstiges Leibblatt. Ich gab - nicht unironisch - reagiert: "Herzlichen Dank für das verlockende Angebot. Aber wenn ich journalistischen Tiefgang will, lese ich lieber den Spiegel, die Welt, die Zeit oder die NZZ. Wenn ich mich unterhalten will, lese ich ein Globi-Buch."

Äh echt jetzt? Das gleiche nochmals in grün?

Liebesbeziehung beendet? Mitnichten. Drei Tage später sehe ich in meiner Mail-Box einen Posteingang, Absender Tages-Anzeiger. Wow. Antwort? So schnell habe ich gar nicht damit gerechnet. Und mit dem Inhalt schon gar nicht: "Mit dem Testabo erhalten Sie nicht nur den täglichen Tiefgang in Ihren Briefkasten....."
Äh, echt jetzt? Nochmals das gleiche in grün? Nicht wirklich, oder? Wie verzweifelt muss eine Aboabteilung sein? Das ist nur noch die sture Penetranz der Redundanz. 
⟽ Das übrigens ist Globi. Der Held (nicht nur) meiner Kindheit. Der weiss wenigstens, wie er Tiefgang verhindern kann. 

Popular Posts

Recent Posts

Blogverzeichnis - Bloggerei.de

Text Widget

Powered by Blogger.

Über mich

Mein Bild
Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

Wetten dass und die unglaubliche WOW!!!!-Michelle

Er ist wieder da . Im schwarz-roten Blingbling-Anzug tritt Thomas Gottschalk auf und erhält sofort eine Standing Ovation. «Ich bin’s doch nu...

Dieses Blog durchsuchen

Stefan Del Fabro

Stefan Del Fabro
Autor und Journalist

Recent Posts

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

Follow Us

Blogverzeichnis - Bloggerei.de Blogger United

Flickr Feed