Mittwoch, 30. Juni 2021

Selbst im Nati-Höhenflug nörgelt das Schweizer Fernsehen

"Das war eine Berg- und Tal-Fahrt" pampte der SRF-Sportmoderator, als ihm Nati-Trainer Vladimir Petkovic nach dem historischen EM-Sieg über Frankreich zum Interview zugeschaltet wurde. 

Gelassen im Team - verkniffen im TV-Interview.

Bitte?? Geht's noch!! Natürlich muss ein Journalist keinen Bückling machen und soll auch immer kritisch hinterfragen. Etwas mehr Demut oder zumindest Respekt vor diesem Super-Erfolg wäre schon angebracht. Etwas mehr Freude und Enthusiasmus auch. 

Petkovic blieb erstaunlich ruhig, analysierte gelassen und liess sich seinen Ärger nicht ansehen. Erstaunlich war aber sein Gesichtsausdruck. Irgendwie hatte der erfolgreiche Schweizer Trainer eine ganz ähnliche Mimik wie knappe 24 Stunden später der deutsche Torwart Manuel Neuer. Der war aber mit seinem Team grad aus dem Turnier geflogen und so hatte Neuer allen Grund, verkniffen in die Welt zu schauen.

Was für ein Unterschied, wenn man sich Petkovic unmittelbar nach dem Schlusspfiff ansieht. Da ist einer heiter und gelöst, bei sich, entspannt winkt er ins Publikum und lässt sich von seinen Spielern herzen.

Zur Erinnerung: im Achtelfinal der Fussball-Euro eliminierte die Schweiz den amtierenden Weltmeister Frankreich nach einem heroischen Kampf. Ein historischer Coup. Die Fussball-Schweiz hatte zuletzt 1954 die Viertelfinals an einer Endrunde (WM im eigenen Land) erreicht. 

Die hochbezahlten Journalisten beim Schweizer Fernsehen nörgelten aber herum und die Regie spielte Werbeblock um Werbeblock ein. 

Petkovic hat das gemacht, was man von einem erfolgreichen Trainer erwartet: er hat sich angepasst und mitten im Spiel sein System verändert. Sogar mehrmals um dem Druck des Weltmeisters standzuhalten. 

Wörter wie Veränderung oder Anpassung kennen die SRF-Sportleute nicht. Hauptsache das Jacket und die Frisur sitzt. 


Dienstag, 29. Juni 2021

Unser Sommer-Märchen

Als Kind wollte ich immer Nati-Fan werden. Dass das kein richtiger Beruf ist, realisierte ich erst, als ich es war. Ich war 15 oder 16 als ich erstmals live im Stadion bei einem Spiel der Schweizer Fussballnationalmannschaft war - es war ein 2:1 gegen Holland. Nati-Fan zu werden hatte sich also gelohnt.

Yann Sommers grösste Tat. Er hält den Elfer.
Aber es war auch die - fussballerisch düstere - Zeit der ehrenvollen Niederlagen. Immer knapp dran, immer gescheitert. 

In den 1990er kam ein erster Höhenflug mit zwei Teilnahmen an Endrunden. Dann wurde es wieder dunkel. Es gab sogar eine Quali-Niederlage gegen Aserbeidschan. Nati-Fan zu sein war wieder schwer. Das Fussball-Licht wurde ab 2004 wieder heller. Seither hat sich die Schweiz mit einer Ausnahme (EM 2012) für jede Endrunde qualifiziert. Jetzt war plötzlich jeder Nati-Fan.

Dann kam die laufende Europameisterschaft. Mit Hängen und viel Würgen schaffte es die Schweiz überhaupt in den 8tel-Final. Und dort wartete wie ein Bollwerk der amtierende Weltmeister und Vize-Europameister Frankreich. Höher konnten die Trauben nicht hängen. Umso süsser schmecken sie nun, da sich die Schweiz gegen diese Übermannschaft durchgesetzt hat.

3:3 nach langem Kampf und einem zeitweiligen 1:3-Rückstand. Die Fingernägel sind längst alle weg, ehe es ins Elfmeterschiessen geht. Die bittere Gewissheit: einerseits verschiessen die Schweizer gerne Elfer, anderseits ist der eigene Keeper kein Penalty-Killer.

Beides widerlegt. Alle Schweizer trafen und der eigene Torwart hielt ausgerechnet den Schuss von Superstar Mbappe. Der Name des Keepers ist Programm: Sommer. Yann Sommer.

Somit hat nun also auch die Schweiz ihr Sommer-Märchen. 

Montag, 28. Juni 2021

Die Pinguine sind in der Stadt

Wenn mir des Nachts mal ein Fuchs begegnet, bin ich schon ganz baff. Ein wildes Tier, mitten in der Grossstadt?

Jetzt auf Netflix: "Die Stadt der Pinguine"
Da können die Bewohner der südafrikanischen Stadt Simon's Town nur gähnen. Dieses Städtchen liegt 30 Kilometer südlich von Kapstadt an der False Bay, die in den offenen Atlantik führt. 

1983 wurde am Strand von Simon's Town ein einzelnes Pinguin-Paar beobachtet. Weil die Bucht ideal und das Städtchen erstaunlich Pinguin-sicher ist, tummeln sich aktuell etwas mehr als 2'000 dieser Wasservögel am Strand und vor allem in der Stadt. 

Das ist alljährlich ein grosses Spektakel. Nun hat Netflix daraus die sehenswerte Documentary "Stadt der Pinguine" gemacht. In acht Folgen werden Pinguin-Paare auf ihrem Weg zum Elternsein beobachtet. Einige schaffen es trotz vieler Hindernisse, ihre Küken aufzuziehen und ins Meer zu bringen, andere scheitern und wieder andere sind einfach nur frech oder zu unerfahren. 

Die "Stadt der Pinguine"-Macher sind mit ihren Kameras sehr nah dran, watscheln mit den Tieren durch die Stadt, erkunden die fremde Welt zwischen den langen Menschenbeinen und müssen sich vielen Gefahren stellen. An Land lauern Luchse, Hunde oder Stachelschweine, im Meer sind die Seehunde die Feinde.

Dennoch kommen die Pinguine alle Jahre wieder nach Simon's Town, wo sie von den Menschen liebevoll geduldet sind. Besonders putzig sind die Szenen, wo sich ein Paar im Garten eines Wohnhauses sein Nest einrichtet und ständig durch die Wohnräume watschelt, ohne dass sich die Menschen daran zu stören scheinen. 


Sonntag, 20. Juni 2021

Katla: Der Vulkan spuckt - die Welt spukt

Seit einem Jahr stösst der isländische Vulkan Katla eine dicke Rauchwolke aus. Die meisten Bewohner des Städtchens Vik am Fusse des Vulkans sind weggezogen. Nur wenige harren in einer mit schwarz-grauem Staub überzogenen Unwirklichkeit aus. Da taucht plötzlich eine schlammbedeckte Frau auf und entpuppt sich als eine Schwedin, welche vor 20 Jahren verschwunden ist. 

Die erste isländische Netflix-Serie "Katla" ist eine gelungene Mischung aus typischem Nordic-Noir und Mystery-Drama. Wie üblich bei den Nordländern stehen die Figuren und deren sozialer Hintergrund im Fokus. Wer liebt wen und warum nicht? Wer ist mit wem verbandelt oder eben auch wieder nicht?

"Katla" ist ein kurzweiliger Achtteiler, jede Folge ist um die 40 Minuten. Wer sich vom Vulkan-Sog fesseln lässt, binge watched diese Serie trotz Fussball-EM. 

Hinter dem Projekt steckt mit Baltasar Kormakur der isländische Steven Spielberg. Ein Regisseur und Geschichtenerzähler, der nach ersten nationalen Erfolgen schnell die Aufmerksamkeit Hollywoods auf sich zog und Filme mit  Starbesetzungen drehen durfte. Am bekanntesten sind wohl "2 Guns" mit Denzel Washington und Mark Wahlberg oder "Everest". 

Nun also "Katla". Genial ist alleine schon das Setting. Da sieht man Kormakur seine Hollywood-Erfahrung in jeder Einstellung an. Grosse Bilder sind sein Ding, kleine Bilder kann er auch. Famos auch die Dialoge, die aufs wesentliche reduziert sind. Oft knurren die Figuren mehr als sie sich austauschen. Schaurig auch der Soundteppich, der blubbert und wabert, genauso wie der oft präsente Vulkan im Hintergrund. 

Was "Katla" jedoch fehlt, ist der stringente rote Faden. Irgendwann steuert jede Serie auf ihr Ende zu und da schaffen es die Macher nicht, die ausgelegten Spuren zu einem grossen Ganzen zusammenzuführen. Es bleibt in der Auflösung Stückwerk. 

Samstag, 19. Juni 2021

F wie Fussball - oder wie Flaschen, Frisuren, Fallschirme??

Mir fällt an der Fussball-EM etwas auf: es wird immer weniger über Fussball und immer mehr über andere, längst nicht allzu heilige F's gesprochen.

In der Schweizer Nati geht es um Frisuren. Gähn. Echt jetzt?

Beim Spiel der Deutschen in München landet ein Fallschirm-Springer im Stadion und die Polizei schraubt im dunkelroten Bereich. Hätte nicht Greenpeace auf dem Fallschirm gestanden, der Springer wäre abgeschossen worden. Was übrigens eine selten doofe Polizei-Reaktion ist. Der nächste Terrorist schnallt sich an einen knallbunten Greenpeace-Schirm und saust in die volle Arena.

Und dann auch noch dieses peinliche Flaschen-Thema. Nein, diesmal geht es nicht um die legendäre Trapattoni-Rede "Flasche leer", sondern um pikierte Spieler, die in ihren Millionen baden und vergessen, dass sie einen grossen Teil ihren unverschämten Vermögen Sponsoren zu verdanken haben.

Quelle: blick.ch

Cristiano Ronaldo stellt die Cola-Flaschen an einer Medienkonferenz weg, hält demonstrativ eine Wasserflasche in die Kamera und ruft "Agua". 

Der Franzose Paul Pogba nahm mit pikiertem Gesichtsausdruck die Heineken-Flasche vom Tisch.

Der Ukrainer Andriy Yarmolenko machte sich daraus nun ein Spässchen. Er nahm beide Flaschen in die Hand und sagte an einer Medienkonferenz "Bitte kontaktiert mich, Cola und Heineken."

Der Spieler von West Ham United wird auch nicht am Hungertuch nagen. Aber die kecke Idee sollte irgendwie belohnt werden.

So, ich habe fertig. Bitte jetzt wieder Fussball. Mit viel F - wie Forechecking, Fallrückzieher, Flanke, Finte, Freistoss oder Füdlipass. 

Die 0,0004 Prozent-Headline

Als Journalist sollst Du die Geschichte suchen. Und es gibt keinen einzigen Nachrichtentag ohne Geschichte. Du findest immer eine Story.

Das sind Phrasen und sie sind so wahr und so alt wie der Journalismus selbst. Aus diesem "Es gibt immer eine Story"-Ansatz sind die Boulevard-Medien entstanden, die längstens den Markt beherrschen. Besonders perfide wird die Regel bei der Corona-Berichterstattung angewendet. Es gibt viele Infos, viele Zahlen, daraus lassen sich Headlines bauen, welche nicht falsch, aber schon extrem zugespitzt sind.

Diese hier lässt aufhorchen: "Swissmedic meldet 2944 Fälle von Nebenwirkungen nach Impfung". Fast 3'000 Menschen haben sich also nach dem Pieks gemeldet. Der Fussballclub Winterthur hatte - vor Corona - einen Zuschauerschnitt von 3'289 (Quelle HIER). 

Pro Heimspiel des FCW waren also etwa gleich viele Leute im Stadion, wie nun Menschen Nach-Pieks-Wirkungen hatten. So gesehen ist das eine üppige Zahl. Und damit operiert das titelgebende Onlineportal 20min (Quelle HIER). 

Sensibelchen und andere Schmerz-Ängstliche zucken zusammen, fühlen sich bestätigt, winken ab und sagen sich, "ich mich impfen lassen, wenn sich so viele Menschen hinterher unwohl fühlen"? No way.

Vielen Dank 20min. Denn Ihr schafft es ja tatsächlich, die Relation in Euren eigenen Angstmacher-Artikel einzubauen. Wer sich die Mühe macht und runterscrollt, stösst auf die Grössenordnung. Es wurden 6'761'775 Impfdosen gespritzt. Bedeutet: bei 0,0004 Prozent der Corona-Impfungen wurden Nebenwirkungen gemeldet. 








 

Freitag, 18. Juni 2021

Scheinheilige Wirtschafts-Rock'n'Roller

Was ist die Schweiz eigentlich? Abgesehen davon, dass es ein Land mit vielen Bergen, wenigen Menschen und einem phänomenalen Marketing ist.

Egal wo Du bist in der Welt, die Schweiz kennt jeder. Die meisten haben positive Assoziationen, andere finden uns einfach nur putzig oder herzig und staunen, dass wir überhaupt arbeiten müssen und uns die Schokolade und das Käsefondue nicht einfach in den offenen Mund fliegen.

Mit dem Klischee der fröhlichen Bergseppen müssen wir leben. Tja. Nun aber zeigt eine Studie, dass wir in der Corona-Bekämpfung sehr viel gut gemacht haben. Und zwar so gut, dass wir in einem Ranking der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 1 gehüpft sind. Selbst Singapur haben wir verdrängt. 

Quelle: welt.de

"Obwohl die Schweiz die Pandemie zuerst nur zögerlich bekämpfte, hat sie ihre ökonomische Zukunft nicht gefährdet, indem sie nicht zu viel ausgegeben hat", schreibt welt.de (LINK). 

Ulkig sind - wie so oft - die Online-Kommentare. Da schreibt einer tatsächlich: "Die Schweizer haben auch auch nur 14 Tage Urlaub."

Den würde ich gerne fragen, ob er ausser RTL gucken auch noch eine andere Bildung genossen hat. Was aber vergebene Liebesmüh wäre. 

"Die Schweiz ist das scheinheiligste Land der Welt" kritisiert gleichentags der chinesische Künstler Ai Weiwei in einem Interview mit 20min Online (LINK). Und haut ordentlich drauf: "Wenn ich in der liberalen Schweiz mit all ihren sogenannten Menschenrechten nicht tragen kann, was ich will, sollte niemand einen Fuss in dieses Land setzen. Die Schweiz sollte sich schämen."

Das kennen wir natürlich nicht. Und mögen es noch weniger. Dass wir kritisiert werden. Gelobt werden für Heidi und Uhren, ja gerne. Scheinheilig genannt zu werden geht gar nicht. Ich scrolle in dem Text daher nicht in die Kommentar-Spalte. Sonst müsste ich noch dazu neigen, Ai Weiwei auf der ganzen Linie Recht zu geben. 








Donnerstag, 17. Juni 2021

Schwach - schwächer - Schweiz

Die Schweiz schlägt England 2:1 und in meiner Euphorie hüpfe ich den neuen Wohnzimmer-Sessel kaputt. 

Ich war Teenager und erstmals in meinem noch jungen Leben sah ich, wie meine Nati einen grossen Gegner bodigte. War die Zeit der ehrenvollen Niederlagen damit vorbei? Mitnichten. Es sollte noch mehr als ein Jahrzehnt nach diesem Sieg über England dauern, ehe sich die Schweizer Fussballnationalmannschaft wieder für eine Endrunde qualifizieren würde. Es war die WM 1994 in den USA und ich war dann sogar als Fan vor Ort.

Schweiz - England 2:1                          @srf

Seit dieser WM-Quali hat sich die Schweiz in der Fussball-Welt kontinuerlich verbessert und gehört heute zu den Top 15 der Welt. Das hätte ich mir als jugendlicher Wohnzimmer-Hüpfer ja nie erträumen lassen, dass wir mal soweit vorne liegen würden. 

Seit 2004 hat die Schweiz nur ein Turnier verpasst (die EM 2012), aber der ganz grosse Coup ist auch nicht gelungen. Es ist die Zeit der ehrenvollen Achtelfinal-Niederlagen. Gegen die Ukraine (WM 2006), gegen Argentinien (WM 2014), gegen Polen (EM 2016), gegen Schweden (WM 2018).

So nahm sich die Fussball-Schweiz für die laufende Euro vor, endlich ins Viertelfinale vorzustossen. Die Vorrunden-Gruppe ist machbar, lautete der Tenor. Wales, Türkei und gut Italien. Immerhin schon viermal Weltmeister. Aber an der letzten WM gar nicht dabei. Machbar also.

Gegen Wales gab es ein 1:1. Und plötzlich hiess es, hey Wales, die waren an der EM 2016 im Halbfinal. 

Und dann kam Italien und ein beschämendes 0:3. Klar, die Azzuri waren besser. Aber was die Schweizer da boten, war unterirdisch. Schwach - schwächer - Schweiz. Pfui. 

Montag, 14. Juni 2021

Der Demokratie-Hotspot - und niemand schaut hin

Klein und oho. Nach dieser simplen Formel funktioniert die Schweiz und ist eine globale Marke. Heidi, Schokolade, Banken, Wilhelm Tell, Berge und Uhren und fertig ist die Melange. Wie schafft es dieses kleine Land, eine derart beachtliche Resonanz zu erzeugen?

Von den mittelkleinen Ländern erhalten nur Israel und Taiwan mehr Aufmerksamkeit. Frag mal in Rio de Janeiro, Hongkong oder Los Angeles nach Ungarn, Mali oder Island. Du wirst ein Fragezeichen-Gesicht ernten. Frag nach der Schweiz. Ein Lächeln stiehlt sich auf die Gesichter der Menschen.

Anderseits ist die Selbstüberschätzung der Schweiz manchmal auch putzig. An diesem Wochenende fanden wieder einmal einige bemerkenswerte Abstimmungen statt. Ein neues Terrorgesetz, ein neues Corona-Gesetz, ein neues C02-Gesetz. Die Medien liefen heiss, die Experten rätselten über die Ablehnung oder Zustimmung, die Politiker legten Stirnen in Falten und suchten nach Erklärungen für das Pro und Contra.

Am Tag danach tragen die Schweizer Medien brav das internationale Echo zusammen. "Heftige Reaktionen im Ausland" fasst der Blick zusammen. Heftig? Auf Spiegel.de werde ich NICHT fündig. Gehen wir auf Welt.de, immerhin der intellektuelle Arm der Bild-Zeitung. Auch hier hole ich mir vorher Gicht in meinen Maus-Finger, ehe ich was zu den Abstimmungen finde. 

Nicht lustig, der arme Ort im Kanton
Schwyz (daher das SZ) heisst wirklich so.

Was die Schweizer zu vergessen scheinen; während sie wählen und sich als Demokratie-Hotspot der Welt wähnen, drehte sich die Welt weiter. G7-Gipfel in Cornwall, Parteitag der Grünen in Deutschland, Fussball-EM, Corona, neue Regierung in Israel, Biden bei der Queen. 

Immerhin rückt die Schweiz am Mittwoch in den Weltfokus, wenn sich der amerikanische und russische Präsident in Genf treffen. Und damit drehe ich die Uhr wieder zurück. Genf? Frag mal in Rio de Janeiro, Hongkong oder Los Angeles nach. Du wirst ein Fragezeichen-Gesicht ernten. 

Sonntag, 13. Juni 2021

Zürich ist Europameister

Sorry Basler, Berner, Luzerner, St. Galler - wir Zürcher haben Euch wieder einmal weggerockt. Unser schönes, blauweisses Zürich ist die lebenswerteste Stadt Europas!! Taaaataaa!

Naja, mögt Ihr nun - zu Recht - einwenden, war Zürich nicht mal die weltweite Nummer 1 und nun nur noch europäisch? Was für ein Abstieg, kichern sie in Basel, Bern, Luzern....

Dennoch. Nummer 7 in der Welt, Nummer 1 in Europa. Da könnt Ihr anderen Städte noch so mit Eurem Fussball, den Bären, dem Pilatus oder der Bratwurst kommen - wir liegen trotzdem vor Euch. 

Das aktuelle Ranking der lebenswertesten Städte LINK der Welt offenbart Erstaunliches. In den Top Ten tummeln sich nur Städte aus Neuseeland, Japan, Australien und der Schweiz! Der vormalige Spitzenreiter Wien ist zum Beispiel bis auf Rang 12 gepurzelt. Noch dramatischer der Sturz Hamburgs; vormalig auf Position 13, nun gerade noch auf Rang 47, Düsseldorf fiel von 22 auf 50. 

Nun kann sich innert eines Jahres ja nicht die Infrastruktur einer Stadt derart verschlechtern. Nein, hat sie nicht. Aber da war halt noch diese Pandemie. Die hat sich auf das Ranking ausgewirkt. Gesundheitsversorgung oder Kultur sind wichtige Parameter für diese Hitparade. Und die haben in der Pandemie in wichtigen europäischen Städten besonders stark gelitten. Das wiederum wirkte sich auf die Lebensqualität aus und das wiederum auf das Städte-Ranking.

Warum hält sich Zürich - das grössenmässig nicht mal in den Top100 der europäischen Städte liegt und kleiner ist als Skopje, Antwerpen oder Bradford - so tapfer in den Top Ten des Lebenswert-Rankings? Klar ist die Lebensqualität hoch, alles funktioniert tadellos und die Steuerbelastung ist erträglich. 

Wenn es aber um die Corona-Bekämpfung geht, empfinde ich Zürich nicht als, nun sagen wir, besonders originell. Die Stadtpräsidentin wandte sich zwar regelmässig in Videobotschaften ans Fussvolk und appellierte und erklärte. 

Eine eigene Dynamik entwickelte sich hier jedoch nie. In deutschen Städten wie Rostock, Tübingen oder Münster trauten sich die Stadtregierungen, eigene, durchaus innovative Pandemiebekämpfungs-Wege zu gehen. Bedauerlicherweise wurden sie zwar von ihren eigenen Bundesland-Regierungen oder gar von Berlin zurückgepfiffen. 

Zürich hingegen hatte keine eigenen Ideen. Sondern führte brav aus, was Bern vorgab. Anderseits könnte das der Schlüssel zum Erfolg sein. Wer nichts macht, macht nichts falsch und darum darf sich Zürich somit nun fröhlich Nummer 7 der Welt und Nummer 1 Europas im Ranking der lebenswertesten Städte nennen. 

Das offizielle Zürich scheint dieses Resultat gar nicht wahrzunehmen. Auf der Website der Stadt findet sich der banale Standsatz: "Punkto Lebensqualität erreicht die Stadt in internationalen Studien immer wieder Spitzenpositionen." LINK Euphorisch geht anders.

Sogar die Medien nehmen das Resultat nüchtern zur Kenntnis. Der Platzhirsch Tagesanzeiger fasst brav zusammen, was die Studie erbrachte. Fast noch biederer der Teaser im Boulevard-Blatt Blick "In Europas bester Stadt spricht man Züridütsch." Wie so oft, leider knapp daneben, den zwischen "bester" und "lebenswertester" liegt dann doch noch ein himmelweiter Unterschied. 

Ich stelle mir jetzt mal vor, was los wäre, würde ein Zürcher die Europameisterschaft im Minigolf oder Tischtennis gewinnen. Bestimmt gingen die medialen, politischen und gesellschaftlichen Zäpfchen mehr ab, als jetzt, wo wir immerhin Lebenswert-Europameister geworden sind. 



Die Fussball-Schweiz hadert - warum eigentlich?

Die Schweiz spielt zum Auftakt an der EM 2021 gegen Wales "nur" 1:1 und alle sind enttäuscht. Warum? Das Remis ist die Schweizer Spezialität an Endrunden. Von den letzten 10 Startspielen endeten 6 unentschieden. Die nächste Runde wurde in 50% doch geschafft. 

Noch idealer ist natürlich der Startsieg. Doch dieser reichte 2010 dann doch nicht für die 8tel-Finals. Die Übersicht zeigt; noch ist lange nicht aller Tage Schweizer Fussball-Abend:

WM 1994 - Startspiel gegen USA 1:1 - Quali 8tel, Out gegen Spanien

EM 1996 - Startspiel gegen England 1:1 - Out in der Gruppenphase

EM 2004 - Startspiel gegen Kroatien 0:0 - Out in der Gruppenphase

WM 2006 - Startspiel gegen Frankreich 0:0 - Quali 8tel, Out gegen Ukraine

EM 2008 - Startspiel gegen Tschechien 0:1 - Out in der Gruppenphase

WM 2010 - Startspiel gegen Spanien 1:0 - Out in der Gruppenphase

WM 2014 - Startspiel gegen Ecuador 2:1 - Quali 8tel, Out gegen Argentinien

EM 2016 - Startspiel gegen Albanien 1:0 - Quali 8tel, Out gegen Polen

WM 2018 - Startspiel gegen Brasilien 1:1 - Quali 8tel, Out gegen Schweden

EM 2021 - Startspiel gegen Wales 1:1 - ??



Freitag, 4. Juni 2021

Der qualvolle Tod eines lässigen Berufes

Jongleur war mein Traumberuf als Kind. Meine beiden linken Hände verhinderten schlimmeres, ich hätte kaum drei Äpfel auffangen können, geschweige denn Messer oder Fackeln.

Also wandte ich mich dem nächstbesten Ding zu: Reporter. Der Berufsberater lachte mich zwar noch aus. Aber nichts hielt mich mehr auf. Über Umwege und ohne Diplome schaffte ich es und arbeitete schon als junger Mann auf Redaktionen und durfte berichten. Über Wahlen, Siege und  Niederlagen, Unfälle, Premieren, freundliche Menschen, überhebliche Menschen.

Meine Vorgesetzten erwarteten "Berichterstattung". Mein Job war, zu berichten, was passiert war. Ganz selten durfte ich sogar einordnen, also einen Bericht zusätzlich noch kommentieren. Das war strikt getrennt und der Kommentar unterlag strengen Kriterien. 

Dann jonglierte ich mich aus den Redaktionen und bin heute ein Leser, User, Zuschauer. Und bin sehr oft entsetzt. Es wird nicht mehr "berichtet", ich werde als Konsument geführt, wie der arme Tanzbär im russischen Staatszirkus und es muss eh immer alles möglichst in einen negativen Kontext gestellt werden.

Die Corona-Ansteckungen in der Schweiz sind auf einem Sinkflug, die Anzahl der Toten lag innert zwei Tagen bei Null. Bei Null!!

Das wäre doch mal die Schlagzeile: "Wir sind aus dem Gröbsten raus" oder "Endlich keine Corona-Toten mehr". Mutmachend, aufbauend und es würde erst noch stimmen. Aber nein. Dass es null Tote hat, steht zwar im Titel, aber irgendwo, dafür muss mal wieder eine Mutante erwähnt werden, die sich in einem weit entfernten Land ausbreitet. 

Was die Medien - insbesondere jetzt zu Corona-Zeiten machen - ist der qualvolle Selbstmord eines einst lässigen Berufes. Die Medienhäuser tragen den Journalismus zu Grabe und wundern sich, wenn Klick- oder Abozahlen zurückgehen und sich die "User" (vielen Dank für diesen Begriff!!) auf anderen Plattformen schlau machen. 

Nein, früher war nicht alles besser. Aber wenigstens der Journalismus war ehrlicher. 


Mittwoch, 2. Juni 2021

Wir langsamen Schweizer

Der gemeine Deutsche findet ja, der gemeine Schweizer sei langsam. Dieses Vorurteil begegnet Dir in Deutschland Schritt auf Schritt. Die Sache ist die; wenn wir Schweizer hochdeutsch sprechen, hört sich das für den Deutschen langsam an. Also wandelt er alles andere auch ab und kommt zum Pauschalurteil, wir seien ein langsames Volk.

Dazu müsste man einmal anfügen; Deutsche, wir hatten schon ein Parlament und damit die Demokratie, als bei Euch noch die Kurfürsten durch die Ländereien ritten. 

Deutsche, wir waren schon Fussball-europameister, als Ihr Euch noch geziert habt, am Turnier teilzunehmen. An den olympischen Spielen 1924 in Paris erreichte die Schweiz das Endspiel, verlor zwar gegen Uruguay, bekam aber dennoch den EM-Titel zugesprochen. Deutschland war gar nicht dabei.

                                              @timoessner.de

Bei Corona haben wir Euch eh längst abgehängt. Wir impfen schneller, wir öffnen schneller und wir verbreiten mehr Optimismus.

Und dann die Bürokratie. Da lese ich auf welt.de diesen köstlichen Text über einen Journalisten, der dringend einen neuen Führerschein braucht. Sein Portemonnaie wurde gestohlen. Er eilt von Amt zu Amt, prallt ab an einer Bürokratie-Wand des Wahnsinns und erhält schliesslich ein Ersatzdokument, mit dem er in Berlin fahren darf. Im Nachbarbundesland Brandenburg dürfte es bereits schwierig werden. Hier der LINK zu dieser Story.

Als mir unlängst das Portemonnaie gestohlen wurde, dauerte es - Achtung Spoiler und jeder Deutsche der liest bitte festhalten - 2 Stunden, bis ich Ersatz hatte. Und ich durfte erst noch überall damit rumfahren. Nicht nur in Zürich, sondern auch im "Nachbarbundesland" Aargau!

Langsam? Wir Schweizer?


Dienstag, 1. Juni 2021

War's das mit Corona?

Wir Schweizer können uns zwar freuen. Die Corona-Bekämpfung ging langsam los, schleppend weiter, aber seit wir im Schnellzug sitzen, haben wir viele andere Länder überholt. Die Schweiz soll hinter Impfweltmeister Israel und den US-Turbos auf den dritten Platz vorgestossen sein. Fast ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung ist doppelt geimpft und damit safe vor dem Virus. 

Das ist eine gute Nachricht und wir alle trudeln fröhlich zurück ins "New Normal", was sich sprachlich als der nächste, heisse Shit-Begriff etabliert. 

Daran gibt's aber auch eine Kehrseite und die ist heftig. Einerseits hat uns die alte Normalität geradezu in diese Scheisse geritten. Warum wir also in den genau gleichen Zustand zurück wollen, erscheint mir nicht logisch. 

Und auch wenn wir Schweizer stolz unsere geimpften Arme in die Welt strecken können, in vielen Ländern gibt es noch nicht einmal Impfstoff oder wenn, wird im Schneckentempo geimpft. Oft sind das die Länder unserer Sehnsucht, dort, wo wir zum Abschalten in die Ferien reisen. 

Madagaskar, die wunderschöne Rieseninsel vor Ostafrika mit dreieinhalb mal mehr Einwohnern als die Schweiz hat bislang knapp 22'000 mal geimpft!

Namibia ist eines der sichersten Reiseländer Afrikas. Hat bislang knapp 76'000 geimpft. Jamaika, das Land des Reggaes und des sanften Chillens kommt auf 164'000 Impfungen, Kenia, mehr als sechsmal grösser als die Schweiz, hat 942'000 mal geimpft.

Wir pushen also unser Impfen voran. Das ist richtig. Und vergessen, dass das Virus überall ist und es uns herzlich wenig nützt, wenn nur die Reichen sicher sind.

Etwas mehr Demut, etwas mehr Solidarität täte uns allen gut. 



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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

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