Sonntag, 25. Februar 2018

Wie aus dem Mann im Schlabberpulli ein Präsident wird

Wenn es um amerikanische Präsidenten-TV-Serien geht, reden alle von "House of Cards" oder "West Wing". Etwas unter dem Radar - zumindest aus europäischer Sicht - läuft da "Designated Survivor", eine Serie, deren 3. Staffel nun in Produktion ist. 
Da sitzt ein Mann in einem schlabbrigen Sweater in einem Büro und guckt sich am TV die Rede des Präsidenten zur Lage der Nation an. Plötzlich flimmert der Monitor, das Bild ist weg. Die Tür knallt auf, Männer in schwarzen Anzügen stürmen hinein und zerren den Mann in seinem Pulli aus dem Raum, schubsen in eine Karre und rasen durch die Strassen Washingtons. Bis sich der Beifahrer zum Mann im Pulli umdreht: "Nun sind Sie Präsident der Vereinigten Staaten."
Was wie kurios ausgedachte Science Fiction tönt, hat einen wahren Kern. Halten sich der Präsident, sein Kabinett, der Senat und das Abgeordnetenhaus am gleichen Ort auf, wird stets jemand bestimmt, der den Titel "Designated Survivor" bekommt, also designierter Überlebender. Was sperrig tönt, wäre in Wirklichkeit dann der, der die Amtsgeschäfte übernehmen muss, würden Präsident und die gesamte Führungsriege ausfallen. Was die Basis dieser TV-Serie ist. Tatsächlich haben Terroristen das Capitol in die Luft gejagt, genau zu dem Zeitpunkt, als der Präsident dort seine Rede gehalten hat. Als "Designated Survivor" ist der unbedeutende Wohnbau-Minister ernannt wurde - und dieser wird nun aus einer Laune des Schicksals heraus zum Präsidenten. Noch im Pulli wird er im Weissen Haus in seiner neuen Rolle vereidigt. 
Daraus bezieht die Serie ihren Reiz, darauf baut der Charme der Figur, exzellent gespielt von Kiefer Sutherland, dem ich eine derartige Parforce-Leistung gar nicht zugetraut hätte. In der Kultserie "24" spielte Sutherland einst den kantigen Agenten Jack Bauer, nun sogar den Präsidenten, einen Mann, der stets das Gute sehen und respektvoll regieren will. Ein Romantiker, zumal in einer Zeit von Trumps oder Erdogans. 
"Designated Survivor" ist spannend und packend, toll besetzt. Leider hapert es manchmal an der Umsetzung und so schwankt die Serie zwischen Lindenstrasse (stylistisch) und House of Cards (inhaltlich). Die Dialoge erreichen selten Aaron Sorking-Niveau (Autor von West Wing oder Newsroom), sind manchmal sogar platt bis ärgerlich. Umso erstaunlicher, dass die Staffel 1 mit 21 Folgen die Spannung bis zum Schluss halten kann. Staffel 2 darf gerne folgen. Und Staffel 3 sei in Vorbereitung. Na dann.... 

Klaus Maria Brandauer liest "Moby Dick" - was für eine Wucht

Was für eine Wucht. Was für ein Auftritt. 75 Minuten spricht der Mann ohne Pause, nur kurz unterbrochen vom Piano. Dann aber wieder eine verbale Höchstleistung. Und das von einem Mann der im Sommer 75 Jahre jung wird. Tja, soll noch einer sagen, die Alten hättens nicht drauf. Siehe nur Bruce Springsteen oder Meryl Streep (beide bald 69) oder Martin Suter (bald 70). 
Auf der Bühne des Schauspielhauses Zürich sitzt Klaus Maria Brandauer und er liest aus Herman Melvilles "Moby Dick". Brandauers Liste von Auszeichungen ist fast so lang wie die seiner Rollen. Natürlich ist sein Gesicht einem Weltpublikum bekannt seit er in den 80er Jahren James Bond Gegenspieler (Never Say Never Again, 1983) oder Meryl Streeps Liebhaber (Out of Africa, 1985) gespielt hat. Nun sitzt er also im kargen Ambiente auf der Bühne und liest, zetert, grollt, nuschelt, schreit, flüstert aus dem legendären Buch, das von Kapitän Ahabs Jagd nach dem weissen Pottwal Moby Dick erzählt, stets aus der Sicht des Matrosen Ismael geschildert, der als Einziger den Höllentrip überleben wird. 
Ein Stoff, der oft verfilmt wurde, am bekanntesten wohl der Film von 1956 mit Gregory Peck in der Hauptrolle, ein Stoff, kaum geschaffen für die Bühne. Aber für die Lesung mit einem wie Klaus Maria Brandauer prädestiniert. 
Ein akustischer Genuss, Brandauer entführt mit sanfter Zunge in den Hafen von Nantucket und dann auf den Walfänger, Pianist Arno Waschk begleitet musikalisch. Wäre da nur nicht die allzu saloppe Kleidung des Musikers. Warum trägt der Mann ein zerknittertes Sakko und abgelatschte Strassenschuhe? Was für eine Wohltat fürs Auge war da zum Beispiel Ryan Goslings Look in LaLaLand. Ginge das nicht auch für einen Pianospieler auf der Schauspielhausbühne? Etwas mehr zeitlose Eleganz und etwas weniger "Ist mir scheissegal-wie-ich-aussehe"-Attitüde? 
Selbst in Sack und Asche allerdings hätte mir der Piano-Mann den Abend nicht verderben können. Die Wucht Brandauer hatte mich längst mitgerissen und als er dem Publikum noch ein "träumen Sie süss" wünschte, waren die kürzesten 75 Minuten meines Lebens um. 

Dienstag, 13. Februar 2018

"Fever" von Deon Meyer; die andere Apocalypse

Was wäre, wenn.... ist in der Literatur oder im Kino ein beliebtes und oft gewähltes Thema. Der Südafrikaner Deon Meyer hat vier Jahre an seinem neuen Roman "Fever" gearbeitet. Herausgekommen ist ein sozial- und gesellschaftskritisches Meisterwerk, dass genau dieser Prämisse nachgeht. Was wäre, wenn die Apocalypse über uns bricht? Wie verhält sich der moderne Mensch? Bleibt er modern? Oder verfällt er in alte Muster? 
Meyer's Story ist, wie all seine Bücher, in Südafrika angesiedelt. Ein besonderer Reiz. Ein Land, dass sowohl literarisch wie filmisch selten genug auf der Kultur-Weltkarte auftaucht.
Deon Meyer hat sich bislang einen Namen als Krimi-Autor gemacht. In "Fever" betritt er erzählerisches Neuland und man merkt dem Roman die lange und sorgfältige Entstehungsgeschichte an. 
Ein geheimnisvolles Fieber hat die Menschheit nahezu ausgerottet. Die wenigen Überlebenden kämpfen um die letzten Brocken sowohl Menschlichkeit wie auch Ressourcen. Das kleidet der Autor geschickt in die Siedlung Amanzi, wo sich zuerst eine Handvoll Menschen niederlassen, die aber immer mehr Leute anziehen. Bald braucht es eine Struktur, es entsteht eine Art Demokratie, die immer wieder unterhöhlt wird, eine Quasi-Armee soll für den Schutz sorgen und - und das ist die traurige Quintessenz - die Menschen streiten wie vor der Epidemie um Kinkerlinzchen. 
"Fever" ist der Versuch, die Apocalypse mal anders zu zeigen. Ein mutiges Buch. 

Montag, 12. Februar 2018

Jacke hinlegen verboten - Wo bin ich den hier gelandet?

Die guten, alten 80er-Sounds; das waren Nena und Kim Wilde, das waren die Spider Murphy Gang und Modern Talking, das waren Rick Astley und Eddie Huntington. Wahlweise war man Fan des legendären englischen Produzenten-Trios Stock Aitken Waterman und huldigte damit Nick Kershaw, die Cutting Crew oder Samantha Fox. Man stand auf Italo Disco und Righeira, Ryan Paris oder Ken Laszlo oder die NDW mit Markus, Hubert Kah, Kiz oder Sandra, Falco, Michael Cretu.
Musikalisch war was los. 
Wo ist denn die gute alte Discokugel hin gekommen?
Ohne geht ja gar nicht. 
Logisch, boomen heute 80er Partys. Aber ist auch 80er drin, wo 80er drauf steht? Komischerweise heissen die Lokale heute schon mal gar nicht wie damals. Heute heisst es "La Boum - die Party" oder "80s Forever". Hiessen "unsere" Clubs damals so? Nö, oder? Die hiessen Disco Hurricaine oder Popcorn oder Club91. Es wurde geraucht und geschlottet. Heute sagt mit der Türsteher mit - sorry - Balkaneinschlag, ich dürfe meine Jacke nicht rumliegen lassen, wegen "Brandgefahr". Wovon soll die Jacke denn zu brennen beginnen? An der Bar gibts Mojito, aber keinen Caipirinha, an der Decke baumelt keine Glaskugel und die DJ's hantieren an Laptops und an den Wänden flimmern Videoclips.
Leute. Das ist doch keine 80er Party. Das ist höchstens ein Versuch, eine Kultstimmung in die Gegenwart zu katapultieren und - wie fast alles heute - Kohle zu machen. Lasst's bleiben. 
Und übers Publikum hab ich noch nicht mal ein Wort verloren.

Dienstag, 6. Februar 2018

"Sleeping Beauties" - nur noch einen Schritt vom Neandertal entfernt

Zweifellos ist der Mann für einige der gruseligsten Kinoerfahrung verantwortlich. "Shining", "Mysery", "Carrie" oder "Es" stammen aus seiner Schreibe. Aber der Erfolgsautor Stephen King kann das Stigma des Horror-Autors nicht abschütteln, dabei kann er auch anders. "Joyland" war eine feinfühlige Teenie-Romanze und mit "22.11.63" spielte er gekonnt die Klaviatur des Polit-Thrillers. 
Sein Meistergenre bleibt jedoch die des fantasievollen Horrors. Mitten in die aktuelle MeToo-Debatte platzt nun sein neuer 900-Seiten-Wälzer "Sleeping Beauties". Wer weiblich ist und einschläft, wacht nicht mehr auf. Aber wer es wagt, eine schlafende Frau zu wecken, erlebt sein blutiges Wunder. Je mehr Frauen wegschlafen, umso mehr wird es eine Männerwelt und die meisten von ihnen sind so ganz ohne Weibchen ganz schön aufgeschmissen. Ein paar wenige Frauen halten sich mit Aufputschmitteln oder schierem Willen wach, aber die letzten Amazonen vermögen gegen die männliche Dummheit auch nicht mehr anzukommen. So beginnt die Welt langsam in stumpfen, männlichen Aktionismus zu versinken, derweil sich die schlafenden Frauen "auf der anderen Seite des Baumes" wach wieder finden und eine einfache, aber bekömmliche Welt ganz ohne Männer aufbauen.
Daraus bezieht "Sleeping Beauties" seinen Hauptreiz. Hier die Männerwelt, die im Chaos zu versinken droht, dort die Frauenwelt, die zwar auch nicht gerade prosperiert, wo aber viel mehr Gleichheit und Freude herrscht. 
Eine Anklage ans System? Wohl kaum. "Sleeping Beauties" macht meistens Spass, auch wenn es mit seinen 900 Seiten arg lang ist. 
Eine Anklage an den amtierenden US-Präsidenten? Vielleicht. Von Donald Trump hält Stephen King bekanntlich nicht viel. 
An der Oberfläche ist "Sleeping Beauties" ein typisches King-Buch; blutig, spannend und manchmal arg klischiert. Aber darunter lauert der wahre Horror. Eine (fast reine) Männerwelt ist nur noch einen Hauch vom Neandertal entfernt. 

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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

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