Mittwoch, 15. März 2017

Besserwisser Horst trifft auf den schlagfertigen Urs oder ein (wahrer) Dialog zwischen Germanen und Helvetier

Viele Zürcher hätten's gerne, manche Deutsche glauben es... 
Heidi, eine Österreicherin? 
Zürich, die Hauptstadt?
Tilsiter, der perfekte Fondue-Käse?
Winterthur, eine Versicherung? (*)
Alles Quatsch natürlich.
Deutsche sind oft erschreckend schlecht informiert über die Schweiz. Immerhin sind wir eines der Nachbarländer. Allerdings hat Deutschland neun Nachbarn, während wir nur vier (und wenn wir den Zwergstaat Liechtenstein dazu zählen fünf) Nachbarstaaten haben.
Schweizer wissen in der Regel mehr über Deutschland als umgekehrt. Das ist einfach zu erklären. Während wir in der Helvetier auch deutsche TV-Sender empfangen, ist das umgekehrt kaum der Fall. Also kennt ein Schweizer eher Orte wie Wuppertal, Chemnitz oder Hoffenheim, als dass ein Deutscher nur schon mal von Biel oder Wil gehört haben könnte. Wir kennen Alexander Bommes, während Deutsche rätseln zu welcher Religionsgruppe Roman Kilchsperger gehören könnte. 

Manchmal allerdings geht das deutsche Wissen verblüffend, oder wie ich einmal selber erleben durfte, ärgerlich weit. Folgende Situation im Land der Alemannen; eine nette Runde sitzt zusammen, Kuchen bei Freunden, da schaut mich einer an:
„Aha, Du bist also Schweizer?“
Ich nicke, lächle freundlich, esse Kuchen.
„Die Schweizer sind doch immer so schrecklich langsam“, mischt sich eine Frau ein.
Ich nicke, lächle nicht mehr ganz so freundlich, esse Kuchen.„Ist die Schweiz nicht das Land, wo das Frauenstimmrecht zuletzt eingeführt worden ist?“, wirft ein weiterer Schlaumeier ein.
Die Runde lacht.
Mein Mitlachen ist gequält, denn ich finde es ja selber doof. In der Schweiz dürfen die Frauen erst seit 1971 politisch mitbestimmen. Die ersten europäischen Länder die das Frauenstimmrecht einführten waren zu Beginn des 20. Jahrhundert die Skandinavier. 1906 Finnland, 1913 Norwegen, 1915 Dänemark. In Deutschland war es dann 1919 soweit. Noch vor den Schweizern 1971 wurde das Wahlrecht auch in Ländern wie der Türkei, den Philippinen oder dem Iran eingeführt.
Ha. Ha. 

Die Runde amüsiert sich köstlich über die laaaaangsamen Schweizer, die ach so lange brauchten, bis auch sie den holden Damen politische Mündigkeit zutrauten. Zur eidgenössischen (leider erbärmlichen) Ehrenrettung sei gesagt; unser Nachbar Liechtenstein brauchte sogar bis 1984, ehe die Frauen wählen und abstimmen durften. Aber das Land ist bis heute als Monarchie geführt. Für Gott, Fürst und Vaterland. Salum aleikum. 

Volltreffer - wie beim Schiffeversenken

Der Kuchen wird gereicht, die Tassen mit frischem Kaffee gefüllt.
„Ist die Schweiz nicht das letzte Land in Europa, dass noch Hexen verbrannt hat?“, fragt nun der nächste Schlaumeier in die Runde.
Teilweise richtig. Die Frau hiess Anna Göldi und wurde 1782 in der Schweiz geköpft. Was damals übrigens europaweit zu heftigen Protesten geführt hat. Nicht um jetzt diese grauenhafte Hinrichtung zu rechtfertigen, aber es soll danach durchaus noch in anderen Ländern staatlich angeordnete Tötungen wegen Hexerei gegeben haben. Aber da es über Anna Göldi einen Film gibt, gilt die Frau nicht nur als letzte exekutierte, sondern auch als Europa's prominenteste Hexe.
Mir aber wird dieses ach so lustige Schweiz-bashing nun doch zu viel und ich reagiere impulsiv und rede schneller als ich denke.
„Es gab seither noch ein anderes Land in Europa, das Menschen hingerichtet hat. MASSENHAFT! Und es war nicht die Schweiz.“

Es ist wie beim Schiffeversenken. Volltreffer.
Hüstel, hüstel.
Betretenes Schweigen.
„Der Kuchen von Tante Marie ist heute wirklich vorzüglich“, murmelt jemand und durchbricht die Stille.
Die Messer schaben wieder über die Teller, der Geräuschpegel kehrt zurück – und die kruden Schweizer Witze verstummen. 

Aber Heidi, eine Österreicherin? Tilsiter ins Fondue? Verdammt. Ich habe noch viel zu tun. 

(*) Winterthur übrigens ist durchaus eine Versicherung: AXA Winterthur. Aber auch eine Stadt. Sogar meine Kindheits-Stadt. Also hört mir mit diesem Versicherungs-Quatsch auf. 

Mein Deutschland und ich
Deutschland Deutschland, spürst du mich? Heut' Nacht komm ich über dich - das macht Spaß! Quelle: „Ichwill Spass, Markus, 1982“
München ist doof. Das war in den 80ern mein erster Eindruck und daher reihte sich die bayrische Hauptstadt in die Liste meiner M-Orte ein, denn auch Malta, Miami, Mannheim und Marliese fand ich zu der Zeit doof. Ich war am Oktoberfest in München. Doof. Im Konzentrationslager Dachau ausserhalb Münchens. Schwere Kost. Beim Fussball im Olympiastadion. Wieder doof. Ich mochte die Weisswürste nicht, das Bier nicht, die omnipräsenten Trachten, die versalzenen Bretzen, mich regte auf, dass ein U-Bahnlinie gleich hiess wie meine Lieblingsband U2. Sakrileg.
Mein Verhältnis zu München und zu Deutschland hat sich längst entspannt. Unterdessen habe ich mehrere Reisen durchs Land gemacht, viele Städte und Gegenden (Liste unten) gesehen. Meine Partnerin ist Deutsche, meine Grossmutter war Deutsche und ich habe Freunde in Deutschland. Nein, doof ist längstens woanders.
Ich war schon einmal in Aschaffenburg, Baden-Baden, Bad Hersfeld, Bad Waldsee, Berlin, Bingen, Bonn, Bremen, Buchholz, Cochem, Dachau, Darmstadt, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Eisenach, Frankfurt aM, Freiburg, Friedrichshafen, Fulda, Göttingen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Köln, Konstanz, Lindau, Lörrach, Mainz, Mannheim, Mönchengladbach, München, Neuwied aR, Nürnberg, Prien, Ravensburg, Regensburg, Rosenheim, Saarbrücken, Singen, Starnberg, Stuttgart, Ulm, Unterhaching, Wanfried, Weimar, Wiesbaden.
Das Thema heute: So reden wir miteinander. Manchmal

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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

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