Freitag, 4. Juni 2021

Der qualvolle Tod eines lässigen Berufes

Jongleur war mein Traumberuf als Kind. Meine beiden linken Hände verhinderten schlimmeres, ich hätte kaum drei Äpfel auffangen können, geschweige denn Messer oder Fackeln.

Also wandte ich mich dem nächstbesten Ding zu: Reporter. Der Berufsberater lachte mich zwar noch aus. Aber nichts hielt mich mehr auf. Über Umwege und ohne Diplome schaffte ich es und arbeitete schon als junger Mann auf Redaktionen und durfte berichten. Über Wahlen, Siege und  Niederlagen, Unfälle, Premieren, freundliche Menschen, überhebliche Menschen.

Meine Vorgesetzten erwarteten "Berichterstattung". Mein Job war, zu berichten, was passiert war. Ganz selten durfte ich sogar einordnen, also einen Bericht zusätzlich noch kommentieren. Das war strikt getrennt und der Kommentar unterlag strengen Kriterien. 

Dann jonglierte ich mich aus den Redaktionen und bin heute ein Leser, User, Zuschauer. Und bin sehr oft entsetzt. Es wird nicht mehr "berichtet", ich werde als Konsument geführt, wie der arme Tanzbär im russischen Staatszirkus und es muss eh immer alles möglichst in einen negativen Kontext gestellt werden.

Die Corona-Ansteckungen in der Schweiz sind auf einem Sinkflug, die Anzahl der Toten lag innert zwei Tagen bei Null. Bei Null!!

Das wäre doch mal die Schlagzeile: "Wir sind aus dem Gröbsten raus" oder "Endlich keine Corona-Toten mehr". Mutmachend, aufbauend und es würde erst noch stimmen. Aber nein. Dass es null Tote hat, steht zwar im Titel, aber irgendwo, dafür muss mal wieder eine Mutante erwähnt werden, die sich in einem weit entfernten Land ausbreitet. 

Was die Medien - insbesondere jetzt zu Corona-Zeiten machen - ist der qualvolle Selbstmord eines einst lässigen Berufes. Die Medienhäuser tragen den Journalismus zu Grabe und wundern sich, wenn Klick- oder Abozahlen zurückgehen und sich die "User" (vielen Dank für diesen Begriff!!) auf anderen Plattformen schlau machen. 

Nein, früher war nicht alles besser. Aber wenigstens der Journalismus war ehrlicher. 


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