Jetzt machen Sie endlich den Service-Check der Spülmaschine!
So ein schöner Anfang und so ein doofer Schluss. Es war Liebe auf den ersten Blick. Als ich das erste Mal aus dieser Wohnung in den Garten blickte, wähnte ich mich in der Provence oder der Toskana. Was für eine Freude, als ich den Zuschlag erhielt. Zwei Jahre fühlte ich mich - nicht nur dank dieses Blickes ins kleine Paradies - herrlich wohl und angekommen. Doch dann kündigte ich die Wohnung, verabschiedete mich von der toskanischen Provence - und es entwickelte sich eine merkwürdige Geschichte.
Meine Verwaltung „bedauerte meine Kündigung sehr“, eine
solch nette Reaktion hatte ich zuvor noch nie erhalten. Mit dem Verwalter hatte
ich mich auch immer gut verstanden, die wenige Male die wir uns sahen,
unterhielten wir uns über Konzerte und Rocklegenden wie Jimi Hendrix oder die
Rolling Stones. Also rechnete ich beim Auszug auch nicht mit Schwierigkeiten. Zunächst
nahm alles seinen üblichen Gang. Ich war längstens weg, hatte die Wohnung
gereinigt und übergeben, ein Nachfolger war eingezogen, als mich der Vermieter
per Mail aufforderte: „Der Service-Check des Geschirrspülers ist noch nicht
gemacht worden. Wir bitten Sie, dies noch in Auftrag zu geben.“
Was war denn das für ein Unsinn? Warum sollte
ich sowas tun müssen? Ich erkundigte mich und fand heraus, dass dies eine
anscheinend oft angewandte Methode von Verwaltungen ist/war, Kosten auf die
Mieter abzuwälzen, so nach dem Motto, Sie
haben in der Wohnung gewohnt, Sie haben die Spülmaschine nicht nur ge- sondern
auch abgenutzt, also lassen Sie das Gerät jetzt gefälligst warten.
Aber von meinem Rock’n’Roll-Vermieter hätte
ich das nicht erwartet. Also tat ich das, was ich in solchen Situationen gerne
tue, ich reagierte mit Sarkasmus und antwortete per Brief: „Wir haben die
Maschine perfekt gereinigt, auch das Sieb haben wir entnommen, gesondert
geputzt sowie die notwendigen Salze nachgefüllt. Der von Ihnen verlangte
Service-Check ist nicht Sache des
Mieters. Wir haben uns beim MieterInnenverband erkundigt. Als ich vor zwei
Jahren in die Wohnung eingezogen bin, enthielten mein Unterlagen keinerlei
Hinweise darauf, dass die Spülmaschine vom externen Fachmann überprüft worden
ist.“
Das sollte wohl reichen?
Denkste.
Eine Woche später verschärfte mein
Ex-Vermieter den Ton.
„Wie Sie aus den allgemeinen Bestimmungen Ihres Mietvertrages
Paragraph Sowieso entnehmen können, gehört der Check des Geschirrspülers zu
Ihren Aufgaben. Wir räumen Ihnen eine Frist bis am Soundsovielten ein.
Andernfalls werden wir den Auftrag erteilen.“
Aha.
Jetzt hatte ich endlich einen Hinweis, worauf die abstruse
Forderung beruhte. Ich fand in meinem Mietvertrag, den genannten Paragraph und
las: „Ebenso sind dem Vermieter Belege über Funktionstüchtigkeit der zum
Mietobjekt gehörenden Apparate und Einrichtungen vorzuweisen“.
Apparate
und Einrichtungen! Und wo stand, ich sei für den Service Check der Spülmaschine
verantwortlich? Also drehte auch ich eine Oktave höher und reagierte mit
Zynismus: „Jetzt müssen Sie mir aber echt
auf die Sprünge helfen. Wo genau steht, dass ich als Mieter einen Check der
Spülmaschine veranlassen soll? Sie beziehen sich auf Paragraph Sowieso im
Mietvertrag. Mir scheint Ihre Interpretation des genannten Punktes extrem
grosszügig. Dort steht nämlich vage formuliert <Apparate und
Einrichtungen>. Die Spülmaschine wird nicht genannt. Würde man die von Ihnen gemachte
Interpretation des Paragraphen Sowieso konsequent auslegen, würde das nichts
anderes bedeuten, als dass der Mieter auch den Backofen, die Türglocke, den
Kühlschrank, die Waschmaschine, den Wasseranschluss, die WC-Spülung, das
Türschloss, die Fensteröffnungen, die Steckdosen, TV-, Telefon und
Internet-Anschlüsse sowie weitere Installationen von einem Fachmann begutachten
lassen müsste.
Selbstverständlich dürfen Sie den
Service-Check des Geschirrspülers in Auftrag geben. Dem steht absolut nichts im
Wege. Aber die Rechnung geht aus vorher genannten Gründen ebenso
selbstverständlich an Sie.“
Der
Tabak in den Friedenspfeifen war aufgebraucht, nun kam die Kriegserklärung von
meiner Ex-Verwaltung: „Da wir grundsätzlich nicht gleicher Meinung sind, werden
wir jetzt den Auftrag erteilen. Das weitere wird sich ergeben.“
Nach
zweieinhalb Monaten erhielt ich tatsächlich eine Rechnung für den Service-Check
der Spülmaschine. Das war mir nun echt zu doof. Ich reagierte nicht.
Dafür
aber meine Ex-Verwaltung, die mir vier Wochen später zu drohen begann. „Mit
Bedauern müssen wir feststellen, dass Sie die fällige Rechnung noch nicht
bezahlt haben. Wir gewähren Ihnen eine letzte Zahlungsfrist.“
Nun
hatten die guten Leute von Seldwyla ihren Bogen überspannt. Ich machte zwei
Dinge:
Zuerst
nahm ich den beigelegten Einzahlungsschein, ging zur nächsten Poststelle und
bezahlte den Betrag bar ein. Mit voller Absicht machte ich keine
Online-Bezahlung, denn in der Schweiz ist es so, dass bei Barzahlung dem
Empfänger eine Gebühr abgezogen wird.
Ha!
1:0 für mich.
Als
zweites kopierte ich sämtliche Unterlagen und reichte den ganzen Krempel der
zuständigen Schlichtungsbehörde* ein.
*“Die Schlichtungsbehörde
hat den Auftrag, in einem kostenlosen Verfahren eine Einigung zwischen den
Parteien herbeizuführen. Gelingt dies nicht, ist zur Durchsetzung des Anspruchs
in den meisten Fällen das Gericht anzurufen.“
In der Schweiz gibt es viele solche Fälle.
Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem ersten Halbjahr 2016. Da wurden fast
14‘000 Verfahren eingeleitet.
Es dauerte nur wenige Tage, da wurde ich vom
zuständigen Amt als Kläger vorgeladen mit dem Betreff „Forderung auf Zahlung“.
Im Anhang erhielt ich auch Einblick in die Replik meines Ex-Vermieters, der
stur auf den schwammig formulierten Paragraphen verwies und mich salopp
abkanzelte in dem er schrieb „Zu den vom Mieter gemachten Eingaben gehen wir
nicht ein.“
Die Verhandlung dauerte 12 Minuten. Die
Mitglieder der Behörde entschieden zu meinen Gunsten. Eben wegen des vagen
formulierten Paragraphen.
Der Vermieter explodierte, hieb die Faust auf
den Tisch, schimpfte etwas von „realitätsfremd“ und jammerte „stets würde alles
auf die Vermieter abgewälzt“. Er grummelte und brummelte und liess sich dann noch
herab, das Papier, das meinen Sieg bestätigte, zu unterschreiben. Dann rauschte
er ohne weiteres Grusswort aus dem Saal.
Da war jemand innert weniger Minuten von
seinem hohen Ross gepurzelt. Schade um die vielen guten Rock’n’Roll-Minuten,
die ich dem Mann gewidmet hatte und mir kam der gute alte Stones-Song in den
Sinn: You can't always get what you want. Aber das kleine Paradies behalte ich in guter Erinnerung. Das lasse ich mir nicht vermiesen.
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