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Es werden Posts vom Juni, 2021 angezeigt.

Selbst im Nati-Höhenflug nörgelt das Schweizer Fernsehen

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"Das war eine Berg- und Tal-Fahrt" pampte der SRF-Sportmoderator, als ihm Nati-Trainer Vladimir Petkovic nach dem historischen EM-Sieg über Frankreich zum Interview zugeschaltet wurde.  Gelassen im Team - verkniffen im TV-Interview. Bitte?? Geht's noch!! Natürlich muss ein Journalist keinen Bückling machen und soll auch immer kritisch hinterfragen. Etwas mehr Demut oder zumindest Respekt vor diesem Super-Erfolg wäre schon angebracht. Etwas mehr Freude und Enthusiasmus auch.  Petkovic blieb erstaunlich ruhig, analysierte gelassen und liess sich seinen Ärger nicht ansehen. Erstaunlich war aber sein Gesichtsausdruck. Irgendwie hatte der erfolgreiche Schweizer Trainer eine ganz ähnliche Mimik wie knappe 24 Stunden später der deutsche Torwart Manuel Neuer. Der war aber mit seinem Team grad aus dem Turnier geflogen und so hatte Neuer allen Grund, verkniffen in die Welt zu schauen. Was für ein Unterschied, wenn man sich Petkovic unmittelbar nach dem Schlusspfiff ansieht. Da ist...

Unser Sommer-Märchen

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Als Kind wollte ich immer Nati-Fan werden. Dass das kein richtiger Beruf ist, realisierte ich erst, als ich es war. Ich war 15 oder 16 als ich erstmals live im Stadion bei einem Spiel der Schweizer Fussballnationalmannschaft war - es war ein 2:1 gegen Holland. Nati-Fan zu werden hatte sich also gelohnt. Yann Sommers grösste Tat. Er hält den Elfer. Aber es war auch die - fussballerisch düstere - Zeit der ehrenvollen Niederlagen. Immer knapp dran, immer gescheitert.  In den 1990er kam ein erster Höhenflug mit zwei Teilnahmen an Endrunden. Dann wurde es wieder dunkel. Es gab sogar eine Quali-Niederlage gegen Aserbeidschan. Nati-Fan zu sein war wieder schwer. Das Fussball-Licht wurde ab 2004 wieder heller. Seither hat sich die Schweiz mit einer Ausnahme (EM 2012) für jede Endrunde qualifiziert. Jetzt war plötzlich jeder Nati-Fan. Dann kam die laufende Europameisterschaft. Mit Hängen und viel Würgen schaffte es die Schweiz überhaupt in den 8tel-Final. Und dort wartete wie ein Bollwerk d...

Die Pinguine sind in der Stadt

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Wenn mir des Nachts mal ein Fuchs begegnet, bin ich schon ganz baff. Ein wildes Tier, mitten in der Grossstadt? Jetzt auf Netflix: "Die Stadt der Pinguine" Da können die Bewohner der südafrikanischen Stadt Simon's Town nur gähnen. Dieses Städtchen liegt 30 Kilometer südlich von Kapstadt an der False Bay, die in den offenen Atlantik führt.  1983 wurde am Strand von Simon's Town ein einzelnes Pinguin-Paar beobachtet. Weil die Bucht ideal und das Städtchen erstaunlich Pinguin-sicher ist, tummeln sich aktuell etwas mehr als 2'000 dieser Wasservögel am Strand und vor allem in der Stadt.  Das ist alljährlich ein grosses Spektakel. Nun hat Netflix daraus die sehenswerte Documentary "Stadt der Pinguine" gemacht. In acht Folgen werden Pinguin-Paare auf ihrem Weg zum Elternsein beobachtet. Einige schaffen es trotz vieler Hindernisse, ihre Küken aufzuziehen und ins Meer zu bringen, andere scheitern und wieder andere sind einfach nur frech oder zu unerfahren.  Die ...

Katla: Der Vulkan spuckt - die Welt spukt

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Seit einem Jahr stösst der isländische Vulkan Katla eine dicke Rauchwolke aus. Die meisten Bewohner des Städtchens Vik am Fusse des Vulkans sind weggezogen. Nur wenige harren in einer mit schwarz-grauem Staub überzogenen Unwirklichkeit aus. Da taucht plötzlich eine schlammbedeckte Frau auf und entpuppt sich als eine Schwedin, welche vor 20 Jahren verschwunden ist.  Die erste isländische Netflix-Serie "Katla" ist eine gelungene Mischung aus typischem Nordic-Noir und Mystery-Drama. Wie üblich bei den Nordländern stehen die Figuren und deren sozialer Hintergrund im Fokus. Wer liebt wen und warum nicht? Wer ist mit wem verbandelt oder eben auch wieder nicht? "Katla" ist ein kurzweiliger Achtteiler, jede Folge ist um die 40 Minuten. Wer sich vom Vulkan-Sog fesseln lässt, binge watched diese Serie trotz Fussball-EM.  Hinter dem Projekt steckt mit Baltasar Kormakur der isländische Steven Spielberg. Ein Regisseur und Geschichtenerzähler, der nach ersten nationalen Erfolgen ...

F wie Fussball - oder wie Flaschen, Frisuren, Fallschirme??

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Mir fällt an der Fussball-EM etwas auf: es wird immer weniger über Fussball und immer mehr über andere, längst nicht allzu heilige F's gesprochen. In der Schweizer Nati geht es um F risuren. Gähn. Echt jetzt? Beim Spiel der Deutschen in München landet ein F allschirm-Springer im Stadion und die Polizei schraubt im dunkelroten Bereich. Hätte nicht Greenpeace auf dem Fallschirm gestanden, der Springer wäre abgeschossen worden. Was übrigens eine selten doofe Polizei-Reaktion ist. Der nächste Terrorist schnallt sich an einen knallbunten Greenpeace-Schirm und saust in die volle Arena. Und dann auch noch dieses peinliche F laschen-Thema. Nein, diesmal geht es nicht um die legendäre Trapattoni-Rede "Flasche leer", sondern um pikierte Spieler, die in ihren Millionen baden und vergessen, dass sie einen grossen Teil ihren unverschämten Vermögen Sponsoren zu verdanken haben. Quelle: blick.ch Cristiano Ronaldo stellt die Cola-Flaschen an einer Medienkonferenz weg, hält demonstrativ e...

Die 0,0004 Prozent-Headline

Als Journalist sollst Du die Geschichte suchen. Und es gibt keinen einzigen Nachrichtentag ohne Geschichte. Du findest immer eine Story. Das sind Phrasen und sie sind so wahr und so alt wie der Journalismus selbst. Aus diesem "Es gibt immer eine Story"-Ansatz sind die Boulevard-Medien entstanden, die längstens den Markt beherrschen. Besonders perfide wird die Regel bei der Corona-Berichterstattung angewendet. Es gibt viele Infos, viele Zahlen, daraus lassen sich Headlines bauen, welche nicht falsch, aber schon extrem zugespitzt sind. Diese hier lässt aufhorchen: "Swissmedic meldet 2944 Fälle von Nebenwirkungen nach Impfung". Fast 3'000 Menschen haben sich also nach dem Pieks gemeldet. Der Fussballclub Winterthur hatte - vor Corona - einen Zuschauerschnitt von 3'289 (Quelle HIER ).  Pro Heimspiel des FCW waren also etwa gleich viele Leute im Stadion, wie nun Menschen Nach-Pieks-Wirkungen hatten. So gesehen ist das eine üppige Zahl. Und damit operiert das tite...

Scheinheilige Wirtschafts-Rock'n'Roller

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Was ist die Schweiz eigentlich? Abgesehen davon, dass es ein Land mit vielen Bergen, wenigen Menschen und einem phänomenalen Marketing ist. Egal wo Du bist in der Welt, die Schweiz kennt jeder. Die meisten haben positive Assoziationen, andere finden uns einfach nur putzig oder herzig und staunen, dass wir überhaupt arbeiten müssen und uns die Schokolade und das Käsefondue nicht einfach in den offenen Mund fliegen. Mit dem Klischee der fröhlichen Bergseppen müssen wir leben. Tja. Nun aber zeigt eine Studie, dass wir in der Corona-Bekämpfung sehr viel gut gemacht haben. Und zwar so gut, dass wir in einem Ranking der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 1 gehüpft sind. Selbst Singapur haben wir verdrängt.  Quelle: welt.de "Obwohl die Schweiz die Pandemie zuerst nur zögerlich bekämpfte, hat sie ihre ökonomische Zukunft nicht gefährdet, indem sie nicht zu viel ausgegeben hat", schreibt welt.de ( LINK ).  Ulkig sind - wie so oft - die Online-Kommentare. Da schreibt einer tatsächlich: ...

Schwach - schwächer - Schweiz

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Die Schweiz schlägt England 2:1 und in meiner Euphorie hüpfe ich den neuen Wohnzimmer-Sessel kaputt.  Ich war Teenager und erstmals in meinem noch jungen Leben sah ich, wie meine Nati einen grossen Gegner bodigte. War die Zeit der ehrenvollen Niederlagen damit vorbei? Mitnichten. Es sollte noch mehr als ein Jahrzehnt nach diesem Sieg über England dauern, ehe sich die Schweizer Fussballnationalmannschaft wieder für eine Endrunde qualifizieren würde. Es war die WM 1994 in den USA und ich war dann sogar als Fan vor Ort. Schweiz - England 2:1                          @srf Seit dieser WM-Quali hat sich die Schweiz in der Fussball-Welt kontinuerlich verbessert und gehört heute zu den Top 15 der Welt. Das hätte ich mir als jugendlicher Wohnzimmer-Hüpfer ja nie erträumen lassen, dass wir mal soweit vorne liegen würden.  Seit 2004 hat die Schweiz nur ein Turnier verpasst (die EM 2012), aber der ganz grosse Coup ist auch n...

Der Demokratie-Hotspot - und niemand schaut hin

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Klein und oho. Nach dieser simplen Formel funktioniert die Schweiz und ist eine globale Marke. Heidi, Schokolade, Banken, Wilhelm Tell, Berge und Uhren und fertig ist die Melange. Wie schafft es dieses kleine Land, eine derart beachtliche Resonanz zu erzeugen? Von den mittelkleinen Ländern erhalten nur Israel und Taiwan mehr Aufmerksamkeit. Frag mal in Rio de Janeiro, Hongkong oder Los Angeles nach Ungarn, Mali oder Island. Du wirst ein Fragezeichen-Gesicht ernten. Frag nach der Schweiz. Ein Lächeln stiehlt sich auf die Gesichter der Menschen. Anderseits ist die Selbstüberschätzung der Schweiz manchmal auch putzig. An diesem Wochenende fanden wieder einmal einige bemerkenswerte Abstimmungen statt. Ein neues Terrorgesetz, ein neues Corona-Gesetz, ein neues C02-Gesetz. Die Medien liefen heiss, die Experten rätselten über die Ablehnung oder Zustimmung, die Politiker legten Stirnen in Falten und suchten nach Erklärungen für das Pro und Contra. Am Tag danach tragen die Schweizer Medien brav...

Zürich ist Europameister

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Sorry Basler, Berner, Luzerner, St. Galler - wir Zürcher haben Euch wieder einmal weggerockt. Unser schönes, blauweisses Zürich ist die lebenswerteste Stadt Europas!! Taaaataaa! Naja, mögt Ihr nun - zu Recht - einwenden, war Zürich nicht mal die weltweite Nummer 1 und nun nur noch europäisch? Was für ein Abstieg, kichern sie in Basel, Bern, Luzern.... Dennoch. Nummer 7 in der Welt, Nummer 1 in Europa. Da könnt Ihr anderen Städte noch so mit Eurem Fussball, den Bären, dem Pilatus oder der Bratwurst kommen - wir liegen trotzdem vor Euch.  Das aktuelle Ranking der lebenswertesten Städte  LINK   der Welt offenbart Erstaunliches. In den Top Ten tummeln sich nur Städte aus Neuseeland, Japan, Australien und der Schweiz! Der vormalige Spitzenreiter Wien ist zum Beispiel bis auf Rang 12 gepurzelt. Noch dramatischer der Sturz Hamburgs; vormalig auf Position 13, nun gerade noch auf Rang 47, Düsseldorf fiel von 22 auf 50.  Nun kann sich innert eines Jahres ja nicht die Infrastru...

Die Fussball-Schweiz hadert - warum eigentlich?

Die Schweiz spielt zum Auftakt an der EM 2021 gegen Wales "nur" 1:1 und alle sind enttäuscht. Warum? Das Remis ist die Schweizer Spezialität an Endrunden. Von den letzten 10 Startspielen endeten 6 unentschieden. Die nächste Runde wurde in 50% doch geschafft.  Noch idealer ist natürlich der Startsieg. Doch dieser reichte 2010 dann doch nicht für die 8tel-Finals. Die Übersicht zeigt; noch ist lange nicht aller Tage Schweizer Fussball-Abend: WM 1994 - Startspiel gegen USA 1:1 - Quali 8tel, Out gegen Spanien EM 1996 - Startspiel gegen England 1:1 - Out in der Gruppenphase EM 2004 - Startspiel gegen Kroatien 0:0 - Out in der Gruppenphase WM 2006 - Startspiel gegen Frankreich 0:0 - Quali 8tel, Out gegen Ukraine EM 2008 - Startspiel gegen Tschechien 0:1 - Out in der Gruppenphase WM 2010 - Startspiel gegen Spanien 1:0 - Out in der Gruppenphase WM 2014 - Startspiel gegen Ecuador 2:1 - Quali 8tel, Out gegen Argentinien EM 2016 - Startspiel gegen Albanien 1:0 - Quali 8te...

Der qualvolle Tod eines lässigen Berufes

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Jongleur war mein Traumberuf als Kind. Meine beiden linken Hände verhinderten schlimmeres, ich hätte kaum drei Äpfel auffangen können, geschweige denn Messer oder Fackeln. Also wandte ich mich dem nächstbesten Ding zu: Reporter. Der Berufsberater lachte mich zwar noch aus. Aber nichts hielt mich mehr auf. Über Umwege und ohne Diplome schaffte ich es und arbeitete schon als junger Mann auf Redaktionen und durfte berichten. Über Wahlen, Siege und  Niederlagen, Unfälle, Premieren, freundliche Menschen, überhebliche Menschen. Meine Vorgesetzten erwarteten "Berichterstattung". Mein Job war, zu berichten, was passiert war. Ganz selten durfte ich sogar einordnen, also einen Bericht zusätzlich noch kommentieren. Das war strikt getrennt und der Kommentar unterlag strengen Kriterien.  Dann jonglierte ich mich aus den Redaktionen und bin heute ein Leser, User, Zuschauer. Und bin sehr oft entsetzt. Es wird nicht mehr "berichtet", ich werde als Konsument geführt, wie der arme Ta...

Wir langsamen Schweizer

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Der gemeine Deutsche findet ja, der gemeine Schweizer sei langsam. Dieses Vorurteil begegnet Dir in Deutschland Schritt auf Schritt. Die Sache ist die; wenn wir Schweizer hochdeutsch sprechen, hört sich das für den Deutschen langsam an. Also wandelt er alles andere auch ab und kommt zum Pauschalurteil, wir seien ein langsames Volk. Dazu müsste man einmal anfügen; Deutsche, wir hatten schon ein Parlament und damit die Demokratie, als bei Euch noch die Kurfürsten durch die Ländereien ritten.  Deutsche, wir waren schon Fussball-europameister, als Ihr Euch noch geziert habt, am Turnier teilzunehmen. An den olympischen Spielen 1924 in Paris erreichte die Schweiz das Endspiel, verlor zwar gegen Uruguay, bekam aber dennoch den EM-Titel zugesprochen. Deutschland war gar nicht dabei.                                               @timoessner.de Bei Corona haben wir Euch eh längs...

War's das mit Corona?

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Wir Schweizer können uns zwar freuen. Die Corona-Bekämpfung ging langsam los, schleppend weiter, aber seit wir im Schnellzug sitzen, haben wir viele andere Länder überholt. Die Schweiz soll hinter Impfweltmeister Israel und den US-Turbos auf den dritten Platz vorgestossen sein. Fast ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung ist doppelt geimpft und damit safe vor dem Virus.  Das ist eine gute Nachricht und wir alle trudeln fröhlich zurück ins "New Normal", was sich sprachlich als der nächste, heisse Shit-Begriff etabliert.  Daran gibt's aber auch eine Kehrseite und die ist heftig. Einerseits hat uns die alte Normalität geradezu in diese Scheisse geritten. Warum wir also in den genau gleichen Zustand zurück wollen, erscheint mir nicht logisch.  Und auch wenn wir Schweizer stolz unsere geimpften Arme in die Welt strecken können, in vielen Ländern gibt es noch nicht einmal Impfstoff oder wenn, wird im Schneckentempo geimpft. Oft sind das die Länder unserer Sehnsucht, dort, wo wir...