Dienstag, 2. Juni 2020

Mein offener Brief an die USA

Liebe USA
Wir waren doch Freunde. Als ich das erste Mal bei Dir zu Besuch war, war ich überwältigt. Von der schieren Grösse sowieso. Die Highway's endlos, die Futterportionen überwältigend (ich habe nie wieder derart grosse Jogurt-Behälter gesehen), die Bauwerke faszinierend und dann Deine sensationelle Freundlichkeit. Ich bin regelrecht zusammengezuckt, als ich in einem Restaurant von der Bedienung als "my Dear" angesprochen wurde. Einst fand ich eine Busse an meinem Auto. Als ich sie bezahlen ging in der City Hall der kleinen Stadt, entschuldigte sich der Sheriff sogar bei mir! 
Ich war jung und bin mit offenem Herzen herum gereist. Naiv war ich nie, denn mir sind das Elend und die Schäbigkeit auch aufgefallen. Dort eine marode Brücke, da ein heruntergekommenes Viertel, hier zerlumpte Leute - und nur wenige Blocks (wie Du ja zu sagen pflegst) weiter wieder Glanz und Glorie. 
Deine Theater habe ich besucht, Deine Sportanlässe, Deine Geschichte habe ich studiert, Deine Menschen habe ich getroffen. 
Und zunehmend ist auch mir der wieder stärker werdende Rassismus aufgefallen. Bei üblen Naziausschreitungen 2017 im Charlottesville war ich gar nicht so weit weg im Bundesstaat Maryland und entsetzt, als Dein Präsident von "very fine people" auch bei den Nazis schwafelte. Keine Sorge, über Deinen derzeitigen Präsidenten verliere ich kaum weitere Worte. Das ist es nicht wert.
Mein Herz blutet guter, alter Freund, wenn ich Dich heute im TV sehe oder über Dich in Zeitungen und Online lese. Da wurde - erneut - ein Schwarzer von Polizisten zu Tode gequält. Plötzlich erhebt sich wie eine Urgewalt Volkes Stimme - Proteste schwappen durch Deine Städte, alle vereinen sich, selbst Vertreter der Behörden knien nieder. Berührende Bilder, wiederum. 
Aber viele, die hören sollten, sind taub. Verstecken sich in Bunkern, schwafeln und twittern und wirbeln einen braunen Bodensatz auf. Ich hätte es nicht für möglich gehalten und bin entsetzt. Liebe USA, wir waren doch mal Freunde. Was ist aus Dir geworden, Land of the Free? 
Aber es gibt sie noch, die Stimmen der Vernunft, Wärme und der Güte. Der Polizeichef von Houston scheint ein grossherziger Mann zu sein: 


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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

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