Solidarität? Mehr denn je
Seit 134 Jahren ist der 1. Mai als «Tag der Arbeit» etabliert. Zunächst in den USA, dann auch in Europa. An diesem Tag steht die internationale Solidarität im Vordergrund. Gerade jüngst hat der Begriff Solidarität nochmals stark zugelegt.
Einst war es der «Moving Day», daraus wurde der Tag der Arbeit und er wird seit dem ausklingenden 19. Jahrhundert zelebriert. Zweifellos könnte man den 1. Mai auch den internationalen Solidaritäts-Tag nennen. Seit die Corona-Krise ausgebrochen ist, bekommt der Begriff eine weitreichendere Bedeutung und geht weit über das hinaus, was die Arbeiterbewegung seit 130 Jahren fordert.
Einst war es der «Moving Day», daraus wurde der Tag der Arbeit und er wird seit dem ausklingenden 19. Jahrhundert zelebriert. Zweifellos könnte man den 1. Mai auch den internationalen Solidaritäts-Tag nennen. Seit die Corona-Krise ausgebrochen ist, bekommt der Begriff eine weitreichendere Bedeutung und geht weit über das hinaus, was die Arbeiterbewegung seit 130 Jahren fordert.
Wohin führt der Weg in der Nach-Corona-Zeit? |
Je unklarer, desto müheloser
«Beim solidarischen Handeln ist man aufgefordert, von seinem Eigeninteresse abzusehen, auf eine Belohnung zu verzichten und auch Nachteile in Kauf zu nehmen» erklärt der Soziologe Sighard Neckel in einem Interview mit dem Magazin «Geo». Hier liege der Unterschied zwischen Kooperation und Solidarität. Für solidarisches Handeln sollte ein erwartbarer Nutzen keine Rolle spielen.
«Je unklarer der Begriff der Solidarität ist, desto müheloser wird er verwendet», wird der Philosoph Kurt Bayertz in der Luzerner Zeitung zitiert.
Keine Moral
Die deutsche Boulevard-Zeitung Bild griff zum pathetischen Zweihänder: «Corona kann jeden von uns treffen. Denn: Ein Virus kennt keine Moral!» und fragte rhetorisch: «Müssen wir als Gesellschaft nicht gerade jetzt zurückstecken und solidarisch sein?» Die Antwort ist einfach: Ja. Wir waren und sind es. Und führen damit irgendwie die Jahrzehnte langen Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit fast etwas absurdum. Erst die globale Krise hat uns solidarischer gemacht. Was - ohne zynisch zu sein - das Gute am Ausbruch dieser fürchterlichen Pandemie ist.
Neue Quelle der Solidarität
Der Begriff ist übrigens alt. Bereits das Römische Recht setzte «Solidarität» ein. «Obligatio in solidum» war eine besondere Form der Haftung: Mehrere schulden eine Leistung so, dass jeder von ihnen die ganze Leistung zu erbringen verpflichtet ist.» Und auch der Gründungsmythos der Schweiz ist ein solidarischer, indem unsere Vorfahren entschieden, nein, wir grüssen keinen Hut. Das gibt einem das Gefühl: Gemeinsam sind wir stark.
Der deutsche Soziologe Heinz Bude gab der NZZ im April 2019 übrigens ein bemerkenswertes Interview. Der Titel hatte etwas prophetisches: "Wir brauchen eine neue Quelle der Solidarität». Bude gab dann zu Protokoll: «Die Erde braucht unsere Solidarität. Es ist klar geworden, dass wir nur diese eine Erde haben. Sie ist verwundbar, und diese Tatsache bringt das Gefühl zurück, dass das Ich selbst verwundbar ist.»
Mit einem Satz jedoch hat der Soziologe komplett danebengelegen: «Ich glaube, dass wir am Ende eines grossen Zyklus stehen, der das Ich ins Zentrum gesetzt hat und das Wir verblassen liess.»
Unser solidarisches Verhalten innerhalb der Corona-Krise zeigt das genaue Gegenteil. Oder war das nur eine Delle im zeitlichen Gesellschafts-Horizont? Hoffen wir es nicht.
Einst der Moving Day
Seinen Ursprung hat der Tag der Arbeit in den USA des 19. Jahrhunderts. Die Industriearbeiter litten damals unter schlechten Arbeitsbedingungen sowie niedrigen Löhnen. Im Jahr 1886 riefen deshalb Handel- und Arbeitergewerkschaften zu einem mehrtägigen Generalstreik auf, und zwar am 1. Mai des Jahres. Hauptziel war die Verkürzung der Arbeitszeit auf acht Stunden täglich.
Grund für die Wahl des Datums war die Tatsache, dass damals in den USA jeweils zum 1.Mai alte Arbeitsverträge ausliefen, neue wurden geschlossen. Deshalb hiess der 1.Mai damals auch "Moving Day".
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