Wie Herr Theodor verschwand und .... eine Weihnachtsgeschichte
Mein Name ist Theodor.
Alle Welt nennt mich Teddy, aber das mag
ich nicht so sehr. Ich heisse Herr Dr. Theodor.
Wissen Sie noch, die
EPA? Das war das Warenhaus mit den drei schrägen,
bunten Buchstaben. Da bin ich zur Welt gekommen.
Bei uns Teddybären ist das nämlich so, unser
Geburtsort ist nicht der Ort der Entstehung, sondern
dort, wo wir das erste Mal die Liebe eines Menschen
erfahren. Plötzlich stand ein Mädchen vor meinem
Gestell, wo ich mit ein paar Freunden sass. Wir
unterhielten uns über die gestressten Menschen, die wie das
Bisiwätter an uns vorbeiflitzten. Aber Sarah blieb wie
angewurzelt stehen. Sie musterte mich und mir
fielen sofort ihre verschieden farbigen Augen auf.
Das linke war grün, das rechte blau. Sarah lachte,
griff nach mir – und da war es um mich geschehen. Ich
war verliebt und geboren. Meine Freunde konnten mir
noch «Gute Reise» zurufen. Von nun an waren Sarah
und ich unzertrennlich. Sie nannte mich
tatsächlich «Herr Theodor» und ich sie «Frau Sarah», aber sie
schien mich nicht zu verstehen. Komisch, ich verstand
jedes ihrer Worte. Ich durfte in ihrem Bett
schlafen, sass bei den Ufzgi neben ihr und schaute im Winter
aus dem Fenster, wenn sie im Garten einen
Schneemann baute, und staunte im Sommer, wenn sie
Purzelbäume machte. Eines Tages tauchten böse, lange
Menschen auf und begannen alles in Sarahs Zimmer
einzupacken. Die Glühbirne ihrer kleinen
Nachttischlampe ging kaputt, eines ihrer Ufzgihefte wurde
zerrissen. Meine Frau Sarah achtete darauf, dass
ich einen guten Platz in einer Kiste bekam. Es war
ungemütlich neben der kaputten, kleinen Lampe. «Die
Reise dauert nicht lange», sagte Sarah, dann
verschwanden ihre verschieden farbigen Augen hinter einem
Deckel, der über meinen Himmel gestülpt wurde. Ich
sass neben der Lampe und vermisste Sarah sehr. Es gab
keinen Winter mehr, keine Schneemänner, keinen
Sommer, keine Purzelbäume. Nur noch Dunkelheit,
die kleine, kaputte Lampe und mich. Ich weiss
nicht, wie lang wir im Dunkeln sassen. Wahrscheinlich
Trillionen von Jahren. Doch irgendwann wurde der
Deckel angehoben, ich blinzelte in die plötzliche
Helligkeit, eine fremde Hand griff nach mir, schüttelte
mich kräftig durch, gab mir sogar einen Klaps aufs
Füdli, eine Stimme sagte: «Den kann man noch gebrauchen,
stell ihn zu den Spielsachen.»
Was das war, wusste
ich nicht, aber diese Spielsachen waren lustig, sie
hiessen Ken und Barbie und Schlumpf und hatten sehr
seltsame Proportionen. Wir seien in der Brockenstube
Winterthur sagten sie. Wie die
EPA, nur anders. Manchmal nahm mich ein Mensch in die Hand, stellte mich
aber stets zurück. Einer dieser Menschen schnüffelte
an meinem Kopf und sagte, ich stinke gruusig.
Hallo! Ich bin Herr Dr. Theodor!
Der Geschmack von Zimt
stieg mir in die Nase. Mein Lieblingsgeruch.
Die Menschen in dieser Brockenstube wurden
ganz selig, denn sie verteilten Tannenzweige, zündeten
Zimtkerzen oder andere hübsche Lichter an.
«Bald ist Weihnachten», klärten mich meine Freunde
auf. Daran konnte ich mich erinnern. Früher, als
ich noch bei Frau Sarah war, bürstete sie mir zu
Weihnachten immer den Pelz und band mir eine
hübsche Fliege um den Hals. Seufz, aber Frau Sarah
war ja nicht mehr da …
War es der Zimtgeruch,
der meine Sinne vernebelte? Waren es die vielen
blinkenden Lichter? Ein grünes und ein blaues Auge
strahlten mich plötzlich aus einem Menschengesicht
an. War das …? Es war ein Wunder. Meine Frau
Sarah stand vor mir. Merkwürdigerweise war sie etwa doppelt
so lang wie früher. Ich schaute an mir
runter und stellte fest, dass ich immer noch gleich
klein war. Aber das schien sie nicht zu stören. «Herr
Theodor, bist das wirklich du?» Ich stammelte unbeholfen,
aber unterdessen wusste ich ja, dass sie mich
nicht verstehen konnte. Frau Sarah drückte mich an sich und ich winkte Ken und Barbie und Schlumpf zu.
Das sind die schönsten Weihnachten meines Lebens
Nun bin ich zurück bei
Frau Sarah und darf wieder aus dem Fenster
schauen. Sie baut mit einer kleinen Sarah einen
Schneemann. Wie schön. In der Brockenstube bin ich zum
zweiten Mal zur Welt gekommen. Mir purzelt
grad eine Freudenträne aus meinem linken
Knopfauge. Das sind die schönsten Weihnachten meines
Lebens.
Herzlich, Ihr Herr Dr.
Theodor.
So herzig, erinnert mich an etwas.....
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