Mittwoch, 30. Juni 2021

Selbst im Nati-Höhenflug nörgelt das Schweizer Fernsehen

"Das war eine Berg- und Tal-Fahrt" pampte der SRF-Sportmoderator, als ihm Nati-Trainer Vladimir Petkovic nach dem historischen EM-Sieg über Frankreich zum Interview zugeschaltet wurde. 

Gelassen im Team - verkniffen im TV-Interview.

Bitte?? Geht's noch!! Natürlich muss ein Journalist keinen Bückling machen und soll auch immer kritisch hinterfragen. Etwas mehr Demut oder zumindest Respekt vor diesem Super-Erfolg wäre schon angebracht. Etwas mehr Freude und Enthusiasmus auch. 

Petkovic blieb erstaunlich ruhig, analysierte gelassen und liess sich seinen Ärger nicht ansehen. Erstaunlich war aber sein Gesichtsausdruck. Irgendwie hatte der erfolgreiche Schweizer Trainer eine ganz ähnliche Mimik wie knappe 24 Stunden später der deutsche Torwart Manuel Neuer. Der war aber mit seinem Team grad aus dem Turnier geflogen und so hatte Neuer allen Grund, verkniffen in die Welt zu schauen.

Was für ein Unterschied, wenn man sich Petkovic unmittelbar nach dem Schlusspfiff ansieht. Da ist einer heiter und gelöst, bei sich, entspannt winkt er ins Publikum und lässt sich von seinen Spielern herzen.

Zur Erinnerung: im Achtelfinal der Fussball-Euro eliminierte die Schweiz den amtierenden Weltmeister Frankreich nach einem heroischen Kampf. Ein historischer Coup. Die Fussball-Schweiz hatte zuletzt 1954 die Viertelfinals an einer Endrunde (WM im eigenen Land) erreicht. 

Die hochbezahlten Journalisten beim Schweizer Fernsehen nörgelten aber herum und die Regie spielte Werbeblock um Werbeblock ein. 

Petkovic hat das gemacht, was man von einem erfolgreichen Trainer erwartet: er hat sich angepasst und mitten im Spiel sein System verändert. Sogar mehrmals um dem Druck des Weltmeisters standzuhalten. 

Wörter wie Veränderung oder Anpassung kennen die SRF-Sportleute nicht. Hauptsache das Jacket und die Frisur sitzt. 


Dienstag, 29. Juni 2021

Unser Sommer-Märchen

Als Kind wollte ich immer Nati-Fan werden. Dass das kein richtiger Beruf ist, realisierte ich erst, als ich es war. Ich war 15 oder 16 als ich erstmals live im Stadion bei einem Spiel der Schweizer Fussballnationalmannschaft war - es war ein 2:1 gegen Holland. Nati-Fan zu werden hatte sich also gelohnt.

Yann Sommers grösste Tat. Er hält den Elfer.
Aber es war auch die - fussballerisch düstere - Zeit der ehrenvollen Niederlagen. Immer knapp dran, immer gescheitert. 

In den 1990er kam ein erster Höhenflug mit zwei Teilnahmen an Endrunden. Dann wurde es wieder dunkel. Es gab sogar eine Quali-Niederlage gegen Aserbeidschan. Nati-Fan zu sein war wieder schwer. Das Fussball-Licht wurde ab 2004 wieder heller. Seither hat sich die Schweiz mit einer Ausnahme (EM 2012) für jede Endrunde qualifiziert. Jetzt war plötzlich jeder Nati-Fan.

Dann kam die laufende Europameisterschaft. Mit Hängen und viel Würgen schaffte es die Schweiz überhaupt in den 8tel-Final. Und dort wartete wie ein Bollwerk der amtierende Weltmeister und Vize-Europameister Frankreich. Höher konnten die Trauben nicht hängen. Umso süsser schmecken sie nun, da sich die Schweiz gegen diese Übermannschaft durchgesetzt hat.

3:3 nach langem Kampf und einem zeitweiligen 1:3-Rückstand. Die Fingernägel sind längst alle weg, ehe es ins Elfmeterschiessen geht. Die bittere Gewissheit: einerseits verschiessen die Schweizer gerne Elfer, anderseits ist der eigene Keeper kein Penalty-Killer.

Beides widerlegt. Alle Schweizer trafen und der eigene Torwart hielt ausgerechnet den Schuss von Superstar Mbappe. Der Name des Keepers ist Programm: Sommer. Yann Sommer.

Somit hat nun also auch die Schweiz ihr Sommer-Märchen. 

Montag, 28. Juni 2021

Die Pinguine sind in der Stadt

Wenn mir des Nachts mal ein Fuchs begegnet, bin ich schon ganz baff. Ein wildes Tier, mitten in der Grossstadt?

Jetzt auf Netflix: "Die Stadt der Pinguine"
Da können die Bewohner der südafrikanischen Stadt Simon's Town nur gähnen. Dieses Städtchen liegt 30 Kilometer südlich von Kapstadt an der False Bay, die in den offenen Atlantik führt. 

1983 wurde am Strand von Simon's Town ein einzelnes Pinguin-Paar beobachtet. Weil die Bucht ideal und das Städtchen erstaunlich Pinguin-sicher ist, tummeln sich aktuell etwas mehr als 2'000 dieser Wasservögel am Strand und vor allem in der Stadt. 

Das ist alljährlich ein grosses Spektakel. Nun hat Netflix daraus die sehenswerte Documentary "Stadt der Pinguine" gemacht. In acht Folgen werden Pinguin-Paare auf ihrem Weg zum Elternsein beobachtet. Einige schaffen es trotz vieler Hindernisse, ihre Küken aufzuziehen und ins Meer zu bringen, andere scheitern und wieder andere sind einfach nur frech oder zu unerfahren. 

Die "Stadt der Pinguine"-Macher sind mit ihren Kameras sehr nah dran, watscheln mit den Tieren durch die Stadt, erkunden die fremde Welt zwischen den langen Menschenbeinen und müssen sich vielen Gefahren stellen. An Land lauern Luchse, Hunde oder Stachelschweine, im Meer sind die Seehunde die Feinde.

Dennoch kommen die Pinguine alle Jahre wieder nach Simon's Town, wo sie von den Menschen liebevoll geduldet sind. Besonders putzig sind die Szenen, wo sich ein Paar im Garten eines Wohnhauses sein Nest einrichtet und ständig durch die Wohnräume watschelt, ohne dass sich die Menschen daran zu stören scheinen. 


Sonntag, 20. Juni 2021

Katla: Der Vulkan spuckt - die Welt spukt

Seit einem Jahr stösst der isländische Vulkan Katla eine dicke Rauchwolke aus. Die meisten Bewohner des Städtchens Vik am Fusse des Vulkans sind weggezogen. Nur wenige harren in einer mit schwarz-grauem Staub überzogenen Unwirklichkeit aus. Da taucht plötzlich eine schlammbedeckte Frau auf und entpuppt sich als eine Schwedin, welche vor 20 Jahren verschwunden ist. 

Die erste isländische Netflix-Serie "Katla" ist eine gelungene Mischung aus typischem Nordic-Noir und Mystery-Drama. Wie üblich bei den Nordländern stehen die Figuren und deren sozialer Hintergrund im Fokus. Wer liebt wen und warum nicht? Wer ist mit wem verbandelt oder eben auch wieder nicht?

"Katla" ist ein kurzweiliger Achtteiler, jede Folge ist um die 40 Minuten. Wer sich vom Vulkan-Sog fesseln lässt, binge watched diese Serie trotz Fussball-EM. 

Hinter dem Projekt steckt mit Baltasar Kormakur der isländische Steven Spielberg. Ein Regisseur und Geschichtenerzähler, der nach ersten nationalen Erfolgen schnell die Aufmerksamkeit Hollywoods auf sich zog und Filme mit  Starbesetzungen drehen durfte. Am bekanntesten sind wohl "2 Guns" mit Denzel Washington und Mark Wahlberg oder "Everest". 

Nun also "Katla". Genial ist alleine schon das Setting. Da sieht man Kormakur seine Hollywood-Erfahrung in jeder Einstellung an. Grosse Bilder sind sein Ding, kleine Bilder kann er auch. Famos auch die Dialoge, die aufs wesentliche reduziert sind. Oft knurren die Figuren mehr als sie sich austauschen. Schaurig auch der Soundteppich, der blubbert und wabert, genauso wie der oft präsente Vulkan im Hintergrund. 

Was "Katla" jedoch fehlt, ist der stringente rote Faden. Irgendwann steuert jede Serie auf ihr Ende zu und da schaffen es die Macher nicht, die ausgelegten Spuren zu einem grossen Ganzen zusammenzuführen. Es bleibt in der Auflösung Stückwerk. 

Samstag, 19. Juni 2021

F wie Fussball - oder wie Flaschen, Frisuren, Fallschirme??

Mir fällt an der Fussball-EM etwas auf: es wird immer weniger über Fussball und immer mehr über andere, längst nicht allzu heilige F's gesprochen.

In der Schweizer Nati geht es um Frisuren. Gähn. Echt jetzt?

Beim Spiel der Deutschen in München landet ein Fallschirm-Springer im Stadion und die Polizei schraubt im dunkelroten Bereich. Hätte nicht Greenpeace auf dem Fallschirm gestanden, der Springer wäre abgeschossen worden. Was übrigens eine selten doofe Polizei-Reaktion ist. Der nächste Terrorist schnallt sich an einen knallbunten Greenpeace-Schirm und saust in die volle Arena.

Und dann auch noch dieses peinliche Flaschen-Thema. Nein, diesmal geht es nicht um die legendäre Trapattoni-Rede "Flasche leer", sondern um pikierte Spieler, die in ihren Millionen baden und vergessen, dass sie einen grossen Teil ihren unverschämten Vermögen Sponsoren zu verdanken haben.

Quelle: blick.ch

Cristiano Ronaldo stellt die Cola-Flaschen an einer Medienkonferenz weg, hält demonstrativ eine Wasserflasche in die Kamera und ruft "Agua". 

Der Franzose Paul Pogba nahm mit pikiertem Gesichtsausdruck die Heineken-Flasche vom Tisch.

Der Ukrainer Andriy Yarmolenko machte sich daraus nun ein Spässchen. Er nahm beide Flaschen in die Hand und sagte an einer Medienkonferenz "Bitte kontaktiert mich, Cola und Heineken."

Der Spieler von West Ham United wird auch nicht am Hungertuch nagen. Aber die kecke Idee sollte irgendwie belohnt werden.

So, ich habe fertig. Bitte jetzt wieder Fussball. Mit viel F - wie Forechecking, Fallrückzieher, Flanke, Finte, Freistoss oder Füdlipass. 

Die 0,0004 Prozent-Headline

Als Journalist sollst Du die Geschichte suchen. Und es gibt keinen einzigen Nachrichtentag ohne Geschichte. Du findest immer eine Story.

Das sind Phrasen und sie sind so wahr und so alt wie der Journalismus selbst. Aus diesem "Es gibt immer eine Story"-Ansatz sind die Boulevard-Medien entstanden, die längstens den Markt beherrschen. Besonders perfide wird die Regel bei der Corona-Berichterstattung angewendet. Es gibt viele Infos, viele Zahlen, daraus lassen sich Headlines bauen, welche nicht falsch, aber schon extrem zugespitzt sind.

Diese hier lässt aufhorchen: "Swissmedic meldet 2944 Fälle von Nebenwirkungen nach Impfung". Fast 3'000 Menschen haben sich also nach dem Pieks gemeldet. Der Fussballclub Winterthur hatte - vor Corona - einen Zuschauerschnitt von 3'289 (Quelle HIER). 

Pro Heimspiel des FCW waren also etwa gleich viele Leute im Stadion, wie nun Menschen Nach-Pieks-Wirkungen hatten. So gesehen ist das eine üppige Zahl. Und damit operiert das titelgebende Onlineportal 20min (Quelle HIER). 

Sensibelchen und andere Schmerz-Ängstliche zucken zusammen, fühlen sich bestätigt, winken ab und sagen sich, "ich mich impfen lassen, wenn sich so viele Menschen hinterher unwohl fühlen"? No way.

Vielen Dank 20min. Denn Ihr schafft es ja tatsächlich, die Relation in Euren eigenen Angstmacher-Artikel einzubauen. Wer sich die Mühe macht und runterscrollt, stösst auf die Grössenordnung. Es wurden 6'761'775 Impfdosen gespritzt. Bedeutet: bei 0,0004 Prozent der Corona-Impfungen wurden Nebenwirkungen gemeldet. 








 

Freitag, 18. Juni 2021

Scheinheilige Wirtschafts-Rock'n'Roller

Was ist die Schweiz eigentlich? Abgesehen davon, dass es ein Land mit vielen Bergen, wenigen Menschen und einem phänomenalen Marketing ist.

Egal wo Du bist in der Welt, die Schweiz kennt jeder. Die meisten haben positive Assoziationen, andere finden uns einfach nur putzig oder herzig und staunen, dass wir überhaupt arbeiten müssen und uns die Schokolade und das Käsefondue nicht einfach in den offenen Mund fliegen.

Mit dem Klischee der fröhlichen Bergseppen müssen wir leben. Tja. Nun aber zeigt eine Studie, dass wir in der Corona-Bekämpfung sehr viel gut gemacht haben. Und zwar so gut, dass wir in einem Ranking der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 1 gehüpft sind. Selbst Singapur haben wir verdrängt. 

Quelle: welt.de

"Obwohl die Schweiz die Pandemie zuerst nur zögerlich bekämpfte, hat sie ihre ökonomische Zukunft nicht gefährdet, indem sie nicht zu viel ausgegeben hat", schreibt welt.de (LINK). 

Ulkig sind - wie so oft - die Online-Kommentare. Da schreibt einer tatsächlich: "Die Schweizer haben auch auch nur 14 Tage Urlaub."

Den würde ich gerne fragen, ob er ausser RTL gucken auch noch eine andere Bildung genossen hat. Was aber vergebene Liebesmüh wäre. 

"Die Schweiz ist das scheinheiligste Land der Welt" kritisiert gleichentags der chinesische Künstler Ai Weiwei in einem Interview mit 20min Online (LINK). Und haut ordentlich drauf: "Wenn ich in der liberalen Schweiz mit all ihren sogenannten Menschenrechten nicht tragen kann, was ich will, sollte niemand einen Fuss in dieses Land setzen. Die Schweiz sollte sich schämen."

Das kennen wir natürlich nicht. Und mögen es noch weniger. Dass wir kritisiert werden. Gelobt werden für Heidi und Uhren, ja gerne. Scheinheilig genannt zu werden geht gar nicht. Ich scrolle in dem Text daher nicht in die Kommentar-Spalte. Sonst müsste ich noch dazu neigen, Ai Weiwei auf der ganzen Linie Recht zu geben. 








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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

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Er ist wieder da . Im schwarz-roten Blingbling-Anzug tritt Thomas Gottschalk auf und erhält sofort eine Standing Ovation. «Ich bin’s doch nu...

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