Montag, 6. Juli 2020

DARK: starke Atmosphäre, schwache Dialoge


Als der Film laufen lernte, war er stumm. Aber die Menschen wollten was auf die Ohren. Erster Tonfilm war "The Jazz Singers" von 1927. Um den zu sehen - und zu hören - wollten hunderte Menschen ins Kino. 
Heute einen populären Film ohne Ton drehen zu wollen, würde nicht funktionieren. Aber einen Film ohne Dialog schon. 2012 gewann "The Artist" gleich 5 Oscars! Und das praktisch ohne gesprochene Worte. 
Genau das kommt mir in den Sinn, während ich die hoch-gejazzte Serie DARK binge-watche. Würde diese TV-Serie auch funktionieren, wenn die Dialoge wegfielen? Diese sind nämlich der absolute Schwachpunkt. Zwar ist die Zeitreise-Schnitzeljagd anstrengend, aber wenigstens unterhaltsam, während die Dialoge oft auf Lindenstrasse-Niveau dümpeln. Ständig staunen sich die Figuren mit weit aufgerissenen Augen an, stammeln einen Soap-Satz, die Lippen beben, die Stirnen runzeln und die Worte plätschern. 
An das in deutschen Produktionen übliche Genuschel habe ich mich gewöhnt - für einmal ist es also erholsam, nicht alles zu verstehen. 
Da frage ich mich schon; warum ist diese Serie derart erfolgreich? Sie gilt gar als beste Netflix-Serie und lässt selbst "House of Cards" hinter sich. Wieso? An den müde-machenden Dialogen und der anstrengenden Geschichte kann es nicht liegen. Auch der Aufbau jeder Folge ist fast identisch; es wabert und wummert, Uhren ticken und tacken, jemand hämmert an eine Tür, jemand anders entschuldigt sich, es wird gejammert und gerannt, es regnet und donnert und jedesmal (ja, in jede Folge) schwappt plötzlich ein Song hinein, den niemand kennt, der aber wenigstens wunderbar-schräg ist. 
Und damit bin ich bei den Stärken von DARK. Genial sind die Ausstattung, das Setting, die Ambiance, die Kostüme, die unendliche Liebe zu den Details, der Soundteppich, der Vorspann, die Locations. Das hat einen ungemeinen Sog und entschädigt für die lausigen Dialoge, die mittelmässige Geschichte und den biederen Cast. 
Was wäre DARK für ein Mega-Show geworden, würde sie sich wie "The Artist" trauen, auf die schiere Kraft der Geschichte zu setzen. Und hätte sie auch den Mut gehabt, doch ein, zwei Schauspiel-Schwergewichte zu verpflichten. Dieses B-Ensemble verdirbt mir zuweilen den Appetit.
DARK hat mich gepackt. Aber wenn mein Daumen bei den Dialogen ständig auf die Vorspultaste drückt, ist das ein schlechtes Zeichen. Ich verstehe die Story nämlich auch ohne hohle Phrasen und in tausend Falten gelegte Stirnen. 

Interlaken sehen - und sich erfreuen

Damit es auf der Jungfrau
 jeder kapiert....
Interlaken war für mich immer der Ballermann der Berge. Ich habe mich sehr gründlich geirrt. Es mag an Corona liegen, aber derzeit ist Interlaken genau wieder das, als was es sich selber bewirbt: "Mehr Schweiz geht nicht". Oder im Umkehrschluss; so wenig ausländische Touristen sind seit Jahrzehnten nicht mehr durch das knapp 6'000 Einwohner zählende Städtchen gelatscht.
Dafür habe ich wohl einen Ferienslot der Westschweiz erwischt; selten habe ich in der Deutschschweiz so viel französisch sprechende Menschen gehört.
Top: Das Apartment in der Villa Salve....
Corona mag den Tourismus kitzeln - aber kaum ernsthaft in die Knie zwingen. Den die Berner Oberländer gehen das Virus-Problem mit Ernsthaftigkeit und Professionalität einerseits und mit Freundlichkeit und Grosszügigkeit anderseits an. So kann das was werden. Wenn die Inder und Chinesen dann wieder kommen, werden sie auf ein rundum erneuertes Tourismusgebiet stossen, dass nicht nur in der Breite, sondern auch in der qualitativen Tiefe Freude macht. 
...lädt auch zum gemütliche Sein ein. 
Ich mietete mich für ein paar Tage in einer neuwertig eingerichteten Wohnung in der Villa Salve ein. Salve heisst nichts anderes als "Sei gegrüsst". Wir grüssten also den Wohnungsvermieter Remo, dieser übergab uns Schlüssel - und liess uns fortan gewähren. Das Apartment liegt günstig für Ausflüge und ist in Gehdistanz zum Bahnhof (Interlaken West) und zu einer grossen Shopping-Mall. Zudem ist es zweckmässig, einfach und modern eingerichtet. Wenn der Donnergott der Alpen an der Arbeit ist, lässt es sich gut aushalten in der Villa Salve. 
Am Reichenbachfall in Meiringen
soll Sherlock Holmes gestorben sein...
So nutzten wir das Apartment als Ausgangspunkt für unsere Erkundungen des Berner Oberlandes; in Meiringen gingen wir auf Sherlock Holmes-Spurensuche, mit der Jungfrau-Bahn fuhren wir auf Europas Spitzenberg. Wo die Aussicht grandios gut (wie immer) und das Essen spektakulär schlecht (wie in alle Ewigkeiten) war. Und auf dem Interlakner Hausberg Harder Kulm war die Ambiance wettermässig DARK-mässig mysteriös und vertieft schön. 
DARK? Nein, Harder Kulm
top of Interlaken. 
Interlaken - Du Ex-Ballermann der Berge. Auch wenn die Horden bald wieder kommen; behalte Deinen Charme doch bei. 


Montag, 29. Juni 2020

Heute bin ich ein Anderer als morgen....

Dominic Michel: "Beim Flügel und der Fotoserie interessiere ich mich für den Moment."
Kunst kommt von Können, also ist jeder, der was kann, ein Künstler? Und da jeder was kann, ist - ergo - jeder ein Künstler? Ganz so einfach ist es nicht - auch wenn sich diese läppische Stammtisch-Haltung hartnäckig hält. Gut, sterben die Stammtische langsam aus. Gut, beweist der Aargauer Künstler Dominic Michel mit einer originellen Bilder-Serie im Aargauer Kunsthaus seine Dynamik. "Ich muss daran denken, dass ich heute ein Anderer bin als morgen", sagt er in einem Interview auf der Kunsthaus-Website
Diese kleine, feine Kunsthaus ist einen Besuch wert. Also schlendere ich etwas durch die Räume, verweile und staune, eile und raune, den in einem Museum ist immer alles möglich. Die grosse Freude wechselt genauso unvermittelt mit dem grossen Ärger ab. Plötzlich stehe ich im Raum mit dem Holzklavier. Plötzlich tritt dieser magische Moment ein. Nicht, dass ich darauf warte, aber ich kann mich darauf verlassen. In jeder Ausstellung gibt es ihn, diesen persönlichen Geistesblitz, dieses innere Kichern und das Gefühl von Ankunft. 
Hier steht nicht nur dieses Klavier aus Holz. Hier hängen auch 18 Panorama-Bilder, welche der Künstler in Tours Aillaud in Nanterre bei Paris aufnahm. Die futuristisch aussehende Siedlung wurde 1977 erbaut, die beiden höchsten Türme sind über 100 Meter und es gibt mehr als 1600 Wohnungen. Eine Stadt in der Stadt also.
Umso erstaunlicher, dass auf keinem der Bilder ein Mensch zu erkennen ist. Mal ein durchfahrendes Auto oder ein Handy. Aber Leben? Hier? Nur die Spielplatz-Schlange windet sich aus dem Boden und da der Künstler die Bilder nicht nur als Panorama, sondern auch noch kreisrund darstellt, wirkt alles grotesk verzerrt, der Himmel so fern.  
Dieser Raum mit Klavier und kreativen Panorama-Bildern war mein magischer Moment im Aargauer Kunsthaus. Finde Du Deinen: aargauerkunsthaus.ch/




Freitag, 26. Juni 2020

Es war einmal eine Comedyshow...

Stermann & Grissemann haben sogar einen Wikipedia-Eintrag. Das österreichisch-deutsche Komik-Duo war für mich lange das Lustigste, was es gab. Sie albern seit 1988 gemeinsam rum, sind eingespielt, kennen und necken sich, machen Filme und haben mit "Willkommen Österreich" ihre eigene TV-Show. 
Nur noch doof: Servus Österreich. 

Die aber mehr und mehr zur blödsinnigen Brüll-Orgie wird. Das herablassende Necken gehört zwar schon lange zum Konzept. Wenn Grissemann seinen Partner stets mit "Deutscher" und/oder "Schneemann" anspricht, ist das zwar weder lustig, noch schlimm, dafür ermüdend. Also hat sich Grissemann was Neues ausgedacht: das veritable Anschreien und Herumbrüllen. Selbst Gäste der Sendung werden nicht (mehr) verschont. Und da reicht es mir nun und ich kündige meiner langjährigen, liebsten Comedyshow die Liebe auf. 
Natürlich hat die Show weiter ihre Feinheiten, die aber mehr mit den Sidekicks (Russkaja oder Maschek) oder den oft originell parierenden Talk-Gästen, aber immer weniger mit den Gastgebern zu tun hat. 
Der langsame Abstieg von "Willkommen Österreich" hat angefangen. Oder wie aus der lustigsten Comedyshow der Welt eine peinliche Brüllorgie geworden sind. Also dann, grüss dich, Servus, tschau-tschau Bussi-Bussi-Baba!

Montag, 22. Juni 2020

Die Bratwurscht hätt doch kä Ahnig....

Lachen oder flanken? Schimpfen oder schiessen? Eckball oder eklig? Alles ist möglich im Fussball-Podcast «Sykora Gisler», der regelmässig auf den SRF-Kanälen abgespielt wird. Ich bin begeistert. Da plappern zwei leidenschaftliche Fussball-Fans über die unwichtigste Nebensache der Welt, lassen kein Fettnäpfchen aus, geizen nicht mit Selbstironie und weisen gleichzeitig eine überirdische gute Fach-Kompetenz aus.
Da haben sich zwei gefunden. Tom Gisler ist Radio-Mann, zeigte sein Talent auch schon als TV-Talker während der Fussball-WM. Mämä Sykora leitet als Chefredaktor das – leider völlig unterschätzte – Fussballmagazin ZWOELF und tanzt ebenfalls auf vielen Fussball-Hochzeiten.

Der Xamax-Fan ist Beckenbauer

«Mämä ist der Beckenbauer des Fussball-Podcasts», sagte Gisler, als der Podcast im Herbst 2019 angekündigt wurde. Grossmaul Gisler? Aber ja! Hat er mit seinem kaiserlichen Vergleich recht? Nochmals ja!
Köstlich, wie sich die beiden Gourmets die verbalen Bälle zuspielen und aus ihren persönlichen Präferenzen keinen Hehl machen. Da plaudern der Xamax-Fan Sykora und der GC-Anhänger Gisler über Bananenflanken, die Fussball-WM 1994 oder Geisterspiele. Kein Weg ist zu weit.
Ach ja. In jeder Show sitzt ein Gast. Der sagt dann zuweilen auch noch was. Schauspieler Anatol Taubman ist Servette- und Manchester United- und FC Unterstrass-Fan. Die Ex-Vaduz-Präsidentin Ruth Ospelt sprach über GC. «Das ist ja nicht Hintertupfingen.»
Es sind die üblichen, trotzdem etwas anderen Gäste, welche als dankbare Sidekicks in der Show sitzen und den beiden Hosts Paroli bieten sollen oder wollen und manchmal können. 
«Die Bratwurscht hätt doch kei Ahnig», schallt es im Intro. Wenn das keine Verheissung ist… Und echt: bei aller Flachserei und Ironie, einen besseren Fussball-Talk gibt es nicht. Das Intro ist nur der Anfang einer wunderbaren Freundschaft. 

Dienstag, 16. Juni 2020

Rassismus-Debatte: Weg mit dem Mohrenkopf? Ja! Und.....

Ich mische mich als "weisser, privilegierter Mann" in die aktuelle Rassismus-Debatte. Was erlauben...? Ja, ich erlaube mir. In der Schweiz reden wir darüber, ob der Begriff "Mohrenkopf" nicht abgeschafft gehört, weil er würdelos ist. Kann man darüber reden. Aber dann muss man weiter denken. Es gibt viele Begriffe und Redewendungen, wo die Unterdrückung mit drin ist. Warum gibt es keinen "White Friday"?. Oder warum schiebt nie jemand den "Weissen Peter" zu? Warum heisst es nicht "Weisser Tag für die Börse?" Und gibt es in England gar den berühmten "Weissen Humor"?

Max Frisch, ein Rassist?

In der aktuellen Debatte wird die Kraft des Wortes, der Sprache beschrieben. Also hinfort mit "Black Friday" und dem "schwarzen Peter". Unterschwellig stehen diese Begriffe für einen ebenfalls existierenden, nicht minder üblen Rassismus.
Geschichte umzuschreiben finde ich dagegen sehr läppisch. Man könnte sie neu analysieren und interpretieren. Aber warum jetzt plötzlich Churchill oder Alfred Escher Rassisten genannt, Max Frisch aber aussen vor gelassen wird, verstehe ich nicht. Max Frisch? Ich verehre Max Frisch. Aber noch in den 1950er Jahren schrieb der grosse Dramaturg von "Neger-Musik". Max Frisch-Bücher auf den Scheiterhaufen? 
Die Mohrenkopf-Debatte ist wichtig und richtig und vielleicht führt sie ja tatsächlich dazu, dass wir anfangen weiter zu denken. Ich habe halt so meine Bedenken. Die Hunde bellen bald, die Karawane zieht weiter.  


Sonntag, 14. Juni 2020

Wie viel verdienen Sie?

Das Pro-Kopf-Geldvermögen ist in der Schweiz weltweit am höchsten. Es beträgt satte 171'990 Euro. Nochmals: pro Kopf. Wohlverstanden. 
Geld haben wir also (wobei ich diesen Schnitt hübsch nach unten drücke), aber drüber reden, tun wir weniger gerne. Umso erstaunlicher, was ich im Möbelhaus aufschnappte. Ich schlendere so rum, lasse mich ziellos in Sofas plumpsen und streiche mit sogenannter (😄) Kennermiene über Tischplatten. 
Als ich an einem Info-Desk vorbeikomme, sitzen da der Verkäufer..pardon Möbel-Berater und ein Paar, welches sich wohl gerade etwas gegönnt hat. Was, weiss ich nicht, aber was meine Ohren nun gleich erfahren, erstaunt mich.
"Darf ich Sie fragen, wie viel Sie verdienen?" fragt der Möbel-Berater unverblümt. Leider bin ich schon vorbei geschlendert und kann darum den Ausdruck in den Gesichtern des Paares nicht erkennen. Die sekundenlange Stille erzählt jedoch ihre eigene Geschichte. Ich drossle mein Tempo und höre. "Wählen Sie aus den Antworten A, B oder C. Liegt Ihr Jahreseinkommen bei A zwischen..." Und dann bin ich zu weit entfernt. 
Was soll diese Frage? Was will das Möbelhaus mit dieser A-, B- oder C-Information? Was hätte ich geantwortet? Geht Sie einen Scheiss an. Oder wäre ich brav gewesen? 
Warum kommt mir jetzt bloss Oscar Wilde in den Sinn? "Als ich jung war, dachte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Jetzt bin ich alt und weiss es."
Hätte ich genug (Geld) müsste ich nicht durch dieses Möbelhaus schlendern, hätte das Paar genug, würde es dem Berater den verbalen Stinkefinger zeigen. Hoffentlich haben sie's dennoch getan. Oder jemand anders. 

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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

Wetten dass und die unglaubliche WOW!!!!-Michelle

Er ist wieder da . Im schwarz-roten Blingbling-Anzug tritt Thomas Gottschalk auf und erhält sofort eine Standing Ovation. «Ich bin’s doch nu...

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