Freitag, 22. Dezember 2017

«Durst» von Jo Nesbo – Harry Hole ermittelt wieder. Und wie

Ein Romantitel wie «Durst» lässt noch nichts schlimmes erahnen. Wer aber schon einmal einen Nesbo in der Hand gehalten hat, dem entgleisen schon mal die Gesichtszüge, bevor überhaupt die erste von 619 Folgeseiten umgeblättert ist.Die norwegische Hauptstadt Oslo ist mit etwa 613'000 Einwohnern einer der kleineren Kapitalen und liegt hinter den Hauptstädten von zum Beispiel Lettland, Togo oder Nepal. Oslo ist also kein Hotspot und schon gar kein New York.Aber wenn es um kriminelle Machenschaften geht, gehen den nordischen Autoren die Fantasy-Gäule durch. So auch dem ausgebildeten Okonomen Jo Nesbo. «Durst» ist der 11. Krimi mit Harry Hole als Ermittler.
«Hatten wir Sex?», fragte Harry.«Was?»«Ich habe keinen blassen Schimmer, was gestern Abend passiert ist. Wir haben doch nicht miteinander geschlafen?»Katrine antwortete nicht, sondern konzentrierte sich darauf, an der roten Ampel exakt auf dem weissen Streifen zu halten. Harry wartete.Es wurde grün.«Nein», sagte Katrine, gab Gas und liess die Kupplung kommen. «Wir hatten keinen Sex». «Gut», sagte Harry und atmete leise pfeifend aus.
Nur ein kurzer und für die Geschichte nicht mal prägender Ausschnitt. Aber er zeigt, wie präzise Autor Nesbo eine Szene sezieren und mit wenigen Worten viel erzählen kann. So lässt «Durst» in seiner Intensität 620 nie locker. Diesmal müssen die Polizisten hinter einem blutsaugenden Mörder herjagen – sie nennen ihn bald den Vampiristen. Während die Hauptstory flott voran kommt und uns der Autor mit geschickten Cliffhangern immer wieder auflaufen lässt, zeichnet er nebenbei an den Konturen der Figuren, wobei oben erwähnte Katrine diesmal einen kleineren Part hat. Umso mehr taumelt Harry Hole inmitten dieses blutigen Irrsinns durch Oslo und kauft sich nebenbei noch eine Kneipe. Was nicht einer gewissen Ironie entspringt, immerhin ist Harry ein Ex-Alki, der noch immer gerne aufs und manchmal auch ins Glas schielt.«Durst» ist zwar schon Fall 11 – aber wird kaum der Letzte sein.

Montag, 4. Dezember 2017

Wie Herr Theodor verschwand und .... eine Weihnachtsgeschichte


Mein Name ist Theodor. Alle Welt nennt mich Teddy, aber das mag ich nicht so sehr. Ich heisse Herr Dr. Theodor.
Wissen Sie noch, die EPA? Das war das Warenhaus mit den drei schrägen, bunten Buchstaben. Da bin ich zur Welt gekommen. Bei uns Teddybären ist das nämlich so, unser Geburtsort ist nicht der Ort der Entstehung, sondern dort, wo wir das erste Mal die Liebe eines Menschen erfahren. Plötzlich stand ein Mädchen vor meinem Gestell, wo ich mit ein paar Freunden sass. Wir unterhielten uns über die gestressten Menschen, die wie das Bisiwätter an uns vorbeiflitzten. Aber Sarah blieb wie angewurzelt stehen. Sie musterte mich und mir fielen sofort ihre verschieden farbigen Augen auf. Das linke war grün, das rechte blau. Sarah lachte, griff nach mir – und da war es um mich geschehen. Ich war verliebt und geboren. Meine Freunde konnten mir noch «Gute Reise» zurufen. Von nun an waren Sarah und ich unzertrennlich. Sie nannte mich tatsächlich «Herr Theodor» und ich sie «Frau Sarah», aber sie schien mich nicht zu verstehen. Komisch, ich verstand jedes ihrer Worte. Ich durfte in ihrem Bett schlafen, sass bei den Ufzgi neben ihr und schaute im Winter aus dem Fenster, wenn sie im Garten einen Schneemann baute, und staunte  im Sommer, wenn sie Purzelbäume machte. Eines Tages tauchten böse, lange Menschen auf und begannen alles in Sarahs Zimmer einzupacken. Die Glühbirne ihrer kleinen Nachttischlampe ging kaputt, eines ihrer Ufzgihefte wurde zerrissen. Meine Frau Sarah achtete darauf, dass ich einen guten Platz in einer Kiste bekam. Es war ungemütlich neben der kaputten, kleinen Lampe. «Die Reise dauert nicht lange», sagte Sarah, dann verschwanden ihre verschieden farbigen Augen hinter einem Deckel, der über meinen Himmel gestülpt wurde. Ich sass neben der Lampe und vermisste Sarah sehr. Es gab keinen Winter mehr, keine Schneemänner, keinen Sommer, keine Purzelbäume. Nur noch Dunkelheit, die kleine, kaputte Lampe und mich. Ich weiss nicht, wie lang wir im Dunkeln sassen. Wahrscheinlich Trillionen von Jahren. Doch irgendwann wurde der Deckel angehoben, ich blinzelte in die plötzliche Helligkeit, eine fremde Hand griff nach mir, schüttelte mich kräftig durch, gab mir sogar einen Klaps aufs Füdli, eine Stimme sagte: «Den kann man noch gebrauchen, stell ihn zu den Spielsachen.»
Was das war, wusste ich nicht, aber diese Spielsachen waren lustig, sie hiessen Ken und Barbie und Schlumpf und hatten sehr seltsame Proportionen. Wir seien in der Brockenstube Winterthur sagten sie. Wie die EPA, nur anders. Manchmal nahm mich ein Mensch in die Hand, stellte mich aber stets zurück. Einer dieser  Menschen schnüffelte an meinem Kopf und sagte, ich stinke gruusig. Hallo! Ich bin Herr Dr. Theodor!
Der Geschmack von Zimt stieg mir in die Nase. Mein Lieblingsgeruch. Die Menschen in dieser Brockenstube wurden ganz selig, denn sie verteilten Tannenzweige, zündeten Zimtkerzen oder andere hübsche Lichter an. «Bald ist Weihnachten», klärten mich meine Freunde auf. Daran konnte ich mich erinnern. Früher, als ich noch bei Frau Sarah war, bürstete sie mir zu Weihnachten immer den Pelz und band mir eine hübsche Fliege um den Hals. Seufz, aber Frau Sarah war ja nicht mehr da …
War es der Zimtgeruch, der meine Sinne vernebelte? Waren es die vielen blinkenden Lichter? Ein grünes und ein blaues Auge strahlten mich plötzlich aus einem Menschengesicht an. War das …? Es war ein Wunder. Meine Frau Sarah stand vor mir. Merkwürdigerweise war sie etwa doppelt so lang wie früher. Ich schaute an mir runter und stellte fest, dass ich immer noch gleich klein war. Aber das schien sie nicht zu stören. «Herr Theodor, bist das wirklich du?» Ich stammelte unbeholfen, aber unterdessen wusste ich ja, dass sie mich nicht verstehen konnte. Frau Sarah drückte mich an sich und ich winkte Ken und Barbie und Schlumpf zu.

Das sind die schönsten Weihnachten meines Lebens

Nun bin ich zurück bei Frau Sarah und darf wieder aus dem Fenster schauen. Sie baut mit einer kleinen Sarah einen Schneemann. Wie schön. In der Brockenstube bin ich zum zweiten Mal zur Welt gekommen. Mir purzelt grad eine Freudenträne aus meinem linken Knopfauge. Das sind die schönsten Weihnachten meines Lebens.
Herzlich, Ihr Herr Dr. Theodor.




Mittwoch, 29. November 2017

Der poetischste Ort Münchens: Tollwood


"Aus dem Nichts" könnte ganz ganz grosses Kino sein....

Das Beste zuerst; Diane Krueger ist eine Wucht. In ihrer ersten Hauptrolle in einem deutschen Film überzeugt die schöne Blonde, die bislang auch in grossen Hollywood-Produktionen wie "Troja" oder "Inglourious Basterds" aufgefallen ist. Allerdings ist in "Aus dem Nichts" nicht viel übrig von der schönen Blonden - aber ganz viel grosse Kinopower. Diane Krueger füllt die Leinwand als Leidende, als Trauernde, als Rächende. 
Aber das war's schon. Der hoch-gejazzte "Aus dem Nichts" ist nämlich ansonsten eine Enttäuschung. Regisseur Fatih Akin hat eine Kritik am deutschen Justizsystem angekündigt. Warme Luft. Er orientiert sich in seinem Film nah an den NSU-Geschehnissen. Sagt er zumindest. Den was im Film passiert, hat mit der Realität nur am Rande zu tun. Was schade ist. Der Stoff, aus dem Racheträume sind, wurde schon dutzende Male verfilmt - und oft - leider - besser.
Katja (Diane Krueger) ist verheiratet mit dem Türken Nuri, gemeinsam und liebevoll ziehen sie Sohn Rocco auf. Dann wird das Büro von Nuri in die Luft gejagt - und auch Diane's Leben liegt in Trümmern. Nun zelebriert Regisseur Akin das durchaus ansehnliche Gesicht seiner Hauptdarstellerin - aber er überdreht. Die Logiklöcher werden grösser. Katja schneidet sich in der Wanne die Pulsadern auf, dunkelrot färbt sich das Wasser. Die Frau taucht schon unter. Adiö, schöne Welt. Doch dann schleppt sie sich doch noch raus. Da würde jeder Medizinstudent im ersten Semester laut lachen. Doch die Geschichte ist noch lange nicht erzählt. Zwei Neonazis werden angeklagt, Katja sitzt als Nebenklägerin im Gericht, wo es zur stärksten Szene des Filmes kommt. Im Vordergrund zählt eine Beamtin emotionslos die Verletzungen auf, an denen Mann und Sohn gestorben sind, im Hintergrund schleicht das Entsetzen über das Gesicht von Katja. 
Aus Mangel an Beweisen kommen die beiden Angeklagten frei. Aber nun heftet sich Katja an ihre Fersen und ....
Es bleibt leider zu vieles unklar, unlogisch und unpackend erzählt, sodass mich nur noch die Sehnsucht nach dem Ende nicht hat einnicken lassen. Schade. Dieser Stoff hat mehr verdient. 
Ob Deutschland damit eine Chance auf den Oscar als bester nicht-englisch-sprachiger Film hat? Ich bezweifle es. 

Dienstag, 14. November 2017

"München" von Robert Harris ist ein packender Historien-Roman

Damit kehrt Robert Harris zurück zu seinem Ur-Thema; den Nazis und der "Was, wäre wenn"-Frage. In seinem Debütroman "Vaterland" stellte Harris die faszinierende These auf, die Nazis hätten den Krieg gewonnen. Wie hätte die Welt 1964 ausgesehen? Nun, viele Historien-Romane später, widmet sich der britische Autor wieder dem Dritten Reich, diesmal in "München". Doch diesmal beruht (fast) alles auf Fakten. Und die grosse Kunst gelingt Harris, obwohl die Fakten bekannt sind, bleibt es spannend. 
Im Mittelpunkt steht das sogenannte "Münchner Abkommen" von 1938. Die Staatschef's von Deutschland, Italien, Frankreich und England treffen sich, nachdem Hitler gedroht hatte, die Tschechoslowakei anzugreifen. Heute wissen wir; der herzhafte diplomatische Versuch hat damals nichts gebracht. Hitler liess sich nicht von seinen Plänen abbringen.

Spagat zwischen Fic und Real

In dieses eher spannungs-arme Umfeld platziert Harris seine Figuren, wobei ihm ein denkwürdiger Spagat zwischen Fiktion und Realität gelingt. Die damals Mächtigen werden genannt, dargestellt und treten auf. Dazwischen chargieren erfundene Figuren und versuchen, ihre Würde zu bewahren. Auf deutscher Seite ist es Paul von Hartmann, auf britischer Hugh Legat. Sie kennen sich aus gemeinsamen Studienzeiten, beide haben durch ihre Positionen direkten Zugang zur Macht und der Autor Harris verschafft uns so einen intimen Einblick in die damaligen Abläufe, wie sie gewesen sein könnten. 
Faszinierend - und auch wenn das Resultat bekannt ist - packend. 

Sonntag, 12. November 2017

Die Fussball-Schweiz fährt an die WM - und das Beste daran ist.....

Gleichwohl, Globi in Aktion. 
.... endlich werden die Schweizer Spiele von Profis kommentiert. An der WM geniesse ich fundierte Wortspiele, Hintergrund-Informationen von den Reportern von ARD und ZDF, manchmal sogar vom ORF. Hauptsache kein Schweizer Fernsehen. Selbst Globi (ein lustiger Mensch-Vogel und in der Schweiz eine Institution) würde liebevoller kommentieren. 

Fernsehen für Blinde

"Gleichwohl" sagt der Schweizer Nati-Kommentator gefühlte 75x pro Spiel der Schweizer. Gibts eine Verwarnung kommt sein Standard: "Gelbe Karte an die Adresse". Als ob die Spieler mit einem Briefkasten umgeschnallt über den Platz rennen. Bei JEDER Wiederholung: "Hier, noch einmal." Aha. Beim Anpfiff "Los gehts". Bei Einblendung Trainer: "Der Trainer XY...". 
Die Schweiz hat sich in einem Playoff übrigens gegen Nordirland durchgesetzt. Was natürlich der nächste verbale Stolperstein war. Ein Hin- und ein Rückspiel, also 180 Fussballminuten. Wie oft wurden da die Iren ... äh ... Nordiren genannt? 
Aber eben; zum Glück kann ich im Sommer 2018 Fussball-Fernsehen für Erwachsene geniessen. Und für ein paar Momente dem Fernsehen für Blinde entfliehen. Und los gehts. 

Freitag, 10. November 2017

Nordirland und Irland IST NICHT DAS GLEICHE

Weiss auf rot und rot auf weiss. Und doch nicht das Gleiche.
Die Fussballschweiz schaut in den nordwestlichsten Zipfel Europas. In Belfast treffen sich die Nationalteams von Nordirland und der Schweiz zum WM-Playoff-Hinspiel. Immerhin haben die tapferen Nordiren in der Quali zuhause nur gegen Weltmeister Deutschland verloren. Und in 7 von 10 Qualispielen kein Gegentor kassiert. Da wartet also eine Knacknuss auf die talentierte Schweizer Auswahl.
Eine verbale Knacknuss ist das Spiel auch für die genialen Reporter in der Fussballabteilung des Schweizer Fernsehens. Nicht nur einmal sagen sie "Die Iren...äh die Nordiren..." und nicht nur einmal benamsen sie den gegnerischen Trainer als Martin O'Neill. Der ist tatsächlich Fussball-National-Coach. Aber nicht von Nordirland, sondern, Sie ahnen es, von IRLAND. Der nordirische Trainer hiesse dann Michael O'Neill. 
Ganz doof; es gibt noch ein Rückspiel gegen äh ... Irland ....äh Nordirland mit äh... Martin ... äh Michael O'Neill. Ach Leute kommt, echt jetzt?

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Ich liebe die Comedy-Show „Willkommen Österreich“, den kanadischen Sänger Bryan Adams, den besten Eishockeyclub der Welt ZSC, den genialen Schreiber James Lee Burke, die TV-Serie „The Newsroom“, die wunderbaren Städte München, New York und Zürich, Grapefruitsaft, Buddha, Bill Clinton, Enten und saftige Wiesen. Das bin ich. Stefan Del Fabro

Wetten dass und die unglaubliche WOW!!!!-Michelle

Er ist wieder da . Im schwarz-roten Blingbling-Anzug tritt Thomas Gottschalk auf und erhält sofort eine Standing Ovation. «Ich bin’s doch nu...

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